Skisport in der norddeutschen Diaspora

■ Hamburger SkiläuferInnen reisen dem Schnee hinterher: Meisterschaften in Langlauf im Harz/ Alpine Disziplinen kämpften in Tirol um den Titel Von Folke Havekost 

Skifahren interessiert in Hamburg niemand? Sollte es aber, denn die news vom Bretterlsport lesen sich zur Zeit interessanter als alle abgeklatschten Gesellschaftsspalten: Erst wurde Langläufer Johann Mühlegg vom Training suspendiert, weil er seinem Trainer derart hartnäckig spiritistische Umtriebe vorwarf, daß verschreckte Funktionäre schon ein jugendgefährdendes Image ihrer Sportart befürchteten. Dann mußten die alpinen Ski-Weltmeisterschaften in der andalusischen Sierra Nevada wegen Schneemangels ausfallen, obwohl bis zuletzt versucht worden war, den sonnigen Landstrich mit Kunstschneekanonaden wintersporttauglich zu machen. Schwere Zeiten für die Vertreter eines ökologisch verträglichen Skisports.

Da naht die Rettung des Wintersports ausgerechnet aus dem pistenarmen Hamburg. Ein kleines Volk in den Harburger Bergen trotzt allen Widrigkeiten. 3.300 Mitglieder zählt der Verband Hamburger Skisport-Vereine (VHSV), die meisten von ihnen widmen sich allerdings der Skigymnastik. Wer sich im Verband engagiert, kommt wie der Vorsitzende Dieter Knüppel in der Regel über ein Sportstudium zum Skilaufen.

Zwar liegt die Vermutung nahe, eher stiege Matjes zum Hauptgericht der bayerischer Küche auf als daß Skifahren in der schneefreien Hansestadt über den Winterurlaub hinaus auf frostig-weißen Boden fällt. Doch die Zeichen der Zeit stehen gar nicht schlecht für das Prinzip Hoffnung: Mit Thomas Barnerssoi und Weltcup-Siegerin Katja Seizinger stammen die Aushängeschilder des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) aus dem Flachland. Die Recklinghausenerin Seizinger als Vorbild für den Hamburger Nachwuchs? 1987 wedelte sich Heidrun Behn vom Farmsener TV bei den deutschen Schülerinnenmeisterschaften immerhin unter die ersten 40. Ein Aufenthalt im Leistungszentrum Garmisch-Partenkirchen war danach schon in der Diskussion. Inzwischen ist Behn Versicherungsangestellte - das Skifahren ist Hobby geblieben. Bei den Hamburger Alpinski-Meisterschaften am vergangenen Wochenende war die 23-jährige aber dennoch unangefochten.

71 Aktive fuhren am Wochenende ins Tiroler Steinach am Brenner, das zum bevorzugten Reiseziel der hanseatischen Alpinisten geworden ist, seit auch im Harz der Schnee immer häufiger fehlt. In hanseatischer Zurückhaltung wurden nur die technischen Disziplinen Slalom und Riesenslalom ausgetragen - vom Steilhang abfahrende Nordlichter scheinen noch nicht in die Landschaft zu passen. Während Heidrun Behn bei den Frauen beide Titel einheimste, gewann Ralf Burmester den Riesentorlauf und Shenja Langkat wurde erster im Slalom der Männer.

Auf der Loipe gab's schon vor dem Startschuß Anlaß zur Freude. Nachdem die Langlauf-Wettbewerbe im Vorjahr wegen mangelnder Beteiligung ausgefallen waren, fuhren heuer neun Frauen und zehn Männer zu den Hamburger Langlaufmeisterschaften ins Harzer Benneckenstein. Notgedrungen präsentierte sich die Veranstaltung konservativ. Die 5 Kilometer der Frauen und die 15 Kilometer der Männer wurden im klassischen Stil gefahren, der bei internationalen Wettbewerben längst von der schnelleren Skating-Technik verdrängt worden ist. Das kleine Stelldichein beendeten Helena Netzlaw und Christian Metzger als neue Meister in der offenen Klasse.

Die mühsamen Gehversuche werden auch in München aufmerksam verfolgt: Der DSV ließ im vergangenen Jahr 18.000 Mark nach Hamburg fließen - Unterstützung für das Projekt „Skisport an Schulen“, mit dem der Verband Jugendliche für die Brettlkunst gewinnen will. 40 Lehramtsstudenten betreuen Klassen und Arbeitsgemeinschaften: Sie werben für den Skisport und seine sommerlichen Pendants Rollski, Eislauf und In-Line-Skating. Dadurch soll Skilaufen als Breitensport etabliert und langfristig für ein aktiveres Wettkampfgeschehen gesorgt werden.