Rausschmiß aus Behördenprinzip

■ Weil Wohnen im Kleingarten tabu ist, verliert eine fünfköpfige Familie ihr Heim Von Marco Carini

Pure politische Prinzipienreiterei? Weil Hamburgs Behörden Wohnen in Kleingärten, selbst in winterfesten Backsteinhäusern, nicht tolerieren mögen, droht einer fünfköpfigen Familie der Rausschmiß aus ihrem Heim. Einziger Zweck der Aktion: Das Kleingartenwohnhaus soll abgerissen werden. Willi Lehmpfuhl vom Mieterverein zu Hamburg: „Hier wird ohne Verstand preiswerter Wohnraum vernichtet und die Wohnungs-not angeheizt“.

Betroffen: Die 31jährige Ramona V., ihr Lebensgefährte und ihre Kinder Daniela (12), Mirco (9) und Sandra (4). Als Ramona V. mit ihrer Familie vor fünf Jahren aus Brandenburg nach Hamburg übersiedelte, kam sie in einer kleinen Idylle unter. Von der SAGA wurde sie in einem „Behelfsheim“ im Kleingartenverein 312 am Brookkampsweg in Niendorf untergebracht. 124 Quadratmeter Wohnfläche, vier Zimmer, ein rund 400 Quadratmeter großer Garten für ihre Kinder zum Spielen.

Nun soll es mit der Idylle vorbei sein: Am 31.1. endet der Vertrag für das „Einfamilienhaus im Schrebergarten“ (O-Ton SAGA). Dann soll, geht es nach der Liegenschaft, das stabile Backsteinhaus abgebrochen und durch eine nur im Sommer nutzbare Standardlaube ersetzt werden. In einem auf den 10. Januar datierten Schreiben drohte die SAGA der Übersiedlerin an, sie werde „unverzüglich Räumungsklage beim zuständigen Amtsgericht erheben“, wenn die Frau das Gartenhaus nicht bis zum 31. Januar verlassen habe.

Eine Drohung, die Ramona V. seit Wochen in Angst und Schrecken versetzt. Denn alle ihre Versuche eine neue Bleibe für sich, ihren Lebensgefährten und die drei Kinder zu finden, schlugen bislang fehl. Obdachlosigkeit droht. Gegenüber der taz erklärte SAGA-Sprecher Hermann Boekholt allerdings, das Wohnungsunternehmen habe seine Drohungen gar nicht ernst gemeint: „Wir werden Frau V. nicht auf die Straße setzen“.

Doch selbst wenn die Räumungs-frist verlängert wird, die Familie soll so schnell wie möglich ausziehen, das Gartenhaus platt gemacht werden. Die Liegenschaft beruft sich dabei darauf, daß nach dem Bundeskleingartengesetz dauerhaftes Wohnen in Kleingärten grundsätzlich verboten ist. Vor allem Hamburgs Umweltsenator Fritz Vahrenholt setzt sich vehement dafür ein, daß Schrebergärten keinesfalls als Erstwohnsitz genutzt werden. Das heißt: Läuft ein Nutzungsvertrag über eines der weit über 1.000 in Hamburg noch als Dauerwohnsitz genutzten Behelfswohnheime aus, wird es nicht mehr neu vermietet, sondern abgerissen.

Anette Verhein-Jarren, Sprecherin der Finanzbehörde betont deshalb, daß es „gar keine rechtliche Möglichkeit gegeben“ hätte, das auf fünf Jahre befristete Wohnrecht zu verlängern. Das aber kann so nicht stimmen. Denn die SAGA räumt ein, daß Ramona V. eine „Fortsetzung des Mietverhältnisses“ nur hätte rechtzeitig beantragen müssen, um möglicherweise wohnen zu bleiben. Zwar sei der Antrag eingegangen, doch nicht fristgerecht. Ein Formfehler, der mit Rausschmiß bestraft wird.

Auch Mieterjurist Lehmpfuhl betont, daß „es ohne rechtliche Probleme möglich gewesen“ wäre, das Wohnrecht zu verlängern. Konsequenz der städtischen Abrißlogik: Sollten alle noch vollzeit-bewohnten Kleingartenhäuser plattgemacht und durch Sozialwohnungen ersetzt werden, würde die Stadt das rund eine halbe Milliarde Mark kosten. Doch Wohnungsnot hin, Finanzkrise her: Hamburgs Behörden haben eben Prinzipien.