Nummer 41948 und Nummer 74559

Flora Neumann wurde 1911 in Hamburg geboren. Sie war aktiv in der Arbeiterjugend, wurde Fabrikarbeiterin und betrieb nach ihrer Rückkehr eine Wäscherei. Bei ihrer Verhaftung 1943 war sie im belgischen Widerstand. Flora ist seit 65 Jahren mit Rudi Neumann verheiratet. Mit ihrem Sohn Berni, der den Faschismus versteckt in einem Kloster überlebte und dieses Jahr vielleicht erstmals nach Auschwitz reist, sind die Neumanns wahrscheinlich die einzige jüdische Familie Hamburgs, die gemeinsam überlebte.

Flora Neumann hat in Auschwitz ihre Schwester Paula und deren Tochter Rita verloren, weil Paulas Mann – ein „Arier“ – Frau und Kind verriet. Rudi Neumann verlor in Auschwitz neben vielen Cousins und Cousinen seine Mutter, seinen Vater und fünf von sechs Geschwistern. Er kann über das, was er erlebt hat, bis heute nicht sprechen. Flora Neumann trägt die eintätowierte Häftlings-Nummer 74559.

Esther Bejarano wurde 1924 in Saarlouis geboren. Die Nazis ermordeten ihre Eltern und die Schwester Ruth. Ein Bruder emigrierte rechtzeitig in die USA, eine Schwester nach Palästina. Bejarano wurde im April 1943 nach Auschwitz deportiert, wo sie ins „Frauenorchester“ geriet. Über dessen Funktion berichtet die Überlebende Rachel Piuti: „Völlig unwirklich begleitete uns beim Heraus- wie Hereinmarschieren ins Lager schöne Musik. Alles bekam dadurch einen Hauch vom Leben nach dem Tode.“

Im Oktober 1943 wurde Bejarano als „Mischjüdin“ ins KZ Ravensbrück verlegt. Dort beteiligte sie sich im Siemens-Werk an kleinen, aber lebensgefährlichen Sabotageakten. Nach der Befreiung wanderte Bejarano nach Palästina aus, wo die Musiklehrerin und Sängerin eine Familie gründete. 1960 kehrte sie mit ihrer Familie nach Deutschland zurück. Ärzte hatten ihr geraten, sich nicht länger dem Mittelmeerklima auszusetzen, zudem mochte ihr Mann als Pazifist nicht mehr in der Armee dienen. Lange wußten selbst ihre Kinder nichts über die Lagerzeit. Seit den 70er Jahren engagiert sich Bejarano in der VVN, seit 1986 im Auschwitz-Komitee, dessen Vorsitzende sie ist. Esther Bejarano trägt auf dem Arm die Nummer 41948.

Beide Frauen gelten als jüdische Volkskünstlerinnen. Bejarano singt, Neumann malt, beide schrieben eine kleine Biografie. Esther Bejarano tritt bis heute mit Liedern auf, die in KZs und Ghettos entstanden. Über Flora Neumanns Malen schreibt deren Nichte, Peggy Parnass: „Erst malte sie nur Auschwitz. Dann jüdische Themen und Clowns. Meist nachts, weil die Erinnerungen sie nicht schlafen lassen.“

Flora Neumann: Erinnern, um zu leben. Hamburg 1991, Bezug: Alternativer Wohlfahrtsverband, Rosenhofstraße 5, 20357 Hamburg.

Esther Bejarano: Man nannte mich Krümel. Hamburg 1991, Bezug: Curio-Verlag, Rothenbaumchaussee 19a, 20146 Hamburg. fg