Auf zum Offenbarungseid!

■ Alle reden vom deutschen Finanzdesaster – nur der Bundesfinanzminister Theo Waigel schweigt stille

Berlin (taz/dpa/AFP) – Alle reden vom Nachtragshaushalt – nur Finanzminister Theo Waigel nicht. Der schweigt sowohl zu der Frage, wie groß der Krater in seinem Haushalt ist, als auch dazu, wie und womit er aufgefüllt werden soll. Die ab heute geltende Haushaltssperre wird jedenfalls bei weitem nicht genug Geld in die Bundeskasse bringen, um die zweistelligen Milliardenlöcher einzuebnen, meinen alle Experten.

SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping übte gestern vollmundig Kritik: Waigels am Mittwoch verkündete Haushaltssperre sei der erste Schritt zum Offenbarungseid. Er forderte, ohne konkret zu werden, Subventionen und Bürokratie abzubauen. Um das Defizit im Etat zu bekämpfen, sei es jetzt wichtig, gegen die Arbeitslosigkeit vorzugehen. Ähnlich äußerte sich die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus- Maier. Sie rechnete vor, 100.000 Arbeitslose kosteten den Staat rund 4 Milliarden Mark. 100.000 Menschen in Arbeit brächten hingegen 4 Milliarden an Steuern und Sozialabgaben.

Doch trotz verbal deutlicher Kritik präsentieren sich die GenossInnen zugleich als Helfer in der Not. Die Partei sei bereit zu gemeinsamer Verantwortung, ließ Scharping wissen.

FDP-Haushaltsexperte Wolfgang Weng will von einer engeren Zusammenarbeit zwischen SPD und Union selbstverständlich nichts wissen: Er sei sicher, daß die Koalition eine gemeinsame Linie finden werde, um mit den Finanzproblemen umzugehen. Immerhin räumte er ein: „Wenn sich die Daten so fortsetzen, wie sie im Moment sind, und es den von uns erhofften Umschwung nicht gibt, werden wir im Mai über einen Nachtragshaushalt reden müssen.“ Ohne Zweifel wird deshalb in den nächsten Tagen eine Debatte über die Erhöhung der Mehrwertsteuer losbrechen. Der Bund der Steuerzahler warnte energisch davor: Eine Erhöhung um einen Prozentpunkt würde dem privaten Konsum zusätzlich 16 Milliarden Mark entziehen. Das könne die Konjunktur nicht aushalten. aje

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