Das Spüren des Sparens in der Kunst

■ An der Hochschule für bildende Künste führt der allgegenwärtige Sparzwang zu Richtungskämpfen

Sparbeschlüsse schmerzen nicht als Zahlen in einer Senatsdrucksache, sondern erst, wenn sie Realität werden. Erst dann beginnt die Betroffenheit, und man versucht, sich zu organisieren. Trotz Semesterferien ist dieser Zustand jetzt an der Hochschule für bildende Künste erreicht. Dort muß – seit langem bekannt – jede zweite auslaufende Stelle gestrichen werden.

Was letztes Jahr bei Gerhard Rühm noch hingenommen wurde und beim Weggang von Marina Abramovic für einiges Murren sorgte, führt zu Protesten, wo jetzt die Stelle von Mike Hentz dran ist. Alle drei Künstler stehen in ihrer speziellen Art für einen erweiterten und Fachgrenzen übergreifenden Kunstbegriff. Die zwei gleichzeitig laufenden Neuberufungen favorisieren aber eher traditionell eindeutige Positionen: klassische Malerei und Bühnenbild (die Vorgänge sind in der Schwebe, so daß Namen hier nicht genannt werden). Sparen ist auferlegte Pflicht, aber um das Wie, gibt es zwangsläufig Streit.

Es herrscht also wieder einmal schlechte Stimmung an der HfbK, und mit Routine gewordener Selbstverständlichkeit wird diese der Präsidentin angelastet, als ob es die weitgehend autonomen Fachbereichsgremien nicht gäbe. Trotz des erklärten Willens von Adrienne Göhler, den Frauenanteil an der Hochschule zu vergrößern, sind nach Weggang von Marina Abramovic alle Dozenten im Fachbereich Freie Kunst Männer. Auch wenn das soziologisch vielleicht eher ein Nebenwiderspruch ist, es trägt nicht eben zur Ausgewogenheit bei – und ist gewiß keine Manipulation der Präsidentin.

Auch der deutlich spürbare, oft beklagte Zuwachs an Bürokratisierung in den letzten Jahren ist kein Wunder in einer Situation, in der nach außen jede Ausgabe gegenüber den Behörden gerechtfertigt werden muß und die Präsidentin andererseits stets darauf gefaßt sein muß, daß ihre Entscheidungen aus der Hochschule heraus verwaltungsrechtlichen Kontrollverfahren unterworfen werden. Statt wie auch immer an einem einheitlichen Erscheinungbild zu arbeiten, lancieren unterschiedliche Interessengruppen in ihrem klaren Selbstverständnis, sich als Künstler zu veröffentlichen, immer wieder einseitige Katastrophenberichte in die Medien. Wenn aber der Star-Architekt Daniel Libeskind zu einer Arbeitswoche im Hause ist oder die wichtige amerikanische Künstlerin Kiki Smith zu einer Gastdozentur kommt, findet dies kaum lobende Erwähnung. Das Ergebnis ist statt deutlicher Manifestation der Bedeutung der Kunsthochschule die Selbstzerfleischung der finanziell bedrängten Institution.

Nun war es gerade Mike Hentz, der mit dem Treujanischen Schiff hinter der Fischauktionshalle letztes Jahr dafür sorgte, daß die Arbeit der HfbK monatelang positiv bemerkt wurde. Auch ist sein „Garage“ genannter Arbeitsraum ein Zentrum für medienübergreifende Aktivitäten – wenn auch nicht das einzige an der HfbK. Auch wenn er selbst vorsichtshalber schon eine Aufbaudozentur in Bremen angenommen hat, Mitte April werden in der fachbereichsübergreifenden Planungsgruppe noch einmal Möglichkeiten gesucht werden, Mike Hentz doch noch zu behalten.

Das Ganze ist über den Einzelfall hinaus ein Symptom: Der so dringend benötigte Freiraum der Kunst schwindet. „Die Spielräume werden dramatisch enger“, bestätigt Fachbereichssprecher K.P. Brehmer. Und es zeichnet sich eine Tendenz ab, daß die Hochschule für bildende Künste zu einer besser zu kontrollierenden Hochschule für Gestaltung wird. Schon jetzt bilden die Architekturstudenten den größten Teil der mit 1377 Auszubildenden sowieso völlig überbelegten Hochschule. „Wenn wir nur noch dazu da sind, das Bestehende zu reflektieren, sind wir am Ende. Kunst ist nicht nur Dienstleistung, sie braucht neue Inhalte“, sagt Mike Hentz und warnt vor einer restaurativen Flucht in gesicherte Werte. Um selbst unter Sparbedingungen ein möglichst breites Lehrangebot zu erhalten, wären Stellensplitting oder zeitbegrenzte Verträge möglich, doch die Entscheidungen laufen eher dagegen. Und so werden die Studenten ab Mai auf den verdienstvoll quirligen Mike Hentz und die Stadt auf so anregende Dinge wie das Treujanische Schiff in Zukunft verzichten müssen, wenn nicht noch ein kleines Wunder geschieht.

Doch nicht nur Querelen werden am Lerchenfeld sichtbar: Ab Dienstag sind die Diplomarbeiten von 26 Künstlern des Fachbereichs Freie Kunst ausgestellt – auf Kampnagel, da die HfbK keine eigenen Ausstellungsräume hat. Ein weiteres Thema, über das trefflich zu raisonnieren wäre.

Hajo Schiff

Ausstellung der Diplomarbeiten Freie Kunst, Eröffnung: Dienstag, 19 Uhr, Halle K3 auf Kampnagel, tägl. 16-20 Uhr, bis 30. März