Schiff als Knastersatz

■ Liberianische Flüchtlinge: Senat weiß nicht genau, ob Barmbek exterritorial ist

Warum sechs liberianische Jugendliche, die als „blinde Passagiere“ in Hamburg ankamen, zunächst zum Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) gebracht wurden und dann zurück aufs Schiff, wissen die Hamburger Behörden auch nicht so genau. Das ergab eine Kleine Anfrage der GAL-Bürgerschaftsfraktion an den Senat.

Drei der insgesamt neun jungen Bürgerkriegsflüchtlinge, die Mitte Februar hier einliefen, wurden in Abschiebehaft genommen. Sie waren über 18 Jahre alt. So weit, so gesetzmäßig. Die anderen sechs Jungs zwischen 13 und 17 Jahren brachte die Wasserschutzpolizei zunächst nach Barmbek zum KJND.

Alleinreisende Jugendliche ohne Papiere würden auf dem Schiff – exterritoriales Gebiet – belassen, sagt der Senat, weil sie „rechtlich nicht eingereist sind und das deutsche Jugendrecht insoweit nicht angewendet werden kann“. Doch die Jugendlichen haben das „exterritoriale Gebiet“ verlassen – mit der Polizei nach Barmbek. Und dort eine Nacht verbracht. Trotzdem wurde der Jugendschutz nicht angewandt. Zweifelhafte Begründung des Senats: Die Jugendlichen hätten zu diesem Zeitpunkt noch keine Asylanträge gestellt. Dann aber hätte man sie zur Abschiebehaft in die Jugendhaftanstalt Hannöversand bringen müssen – und nicht zurück auf das Schiff, denn sie waren bereits in die BRD eingereist.

„Das Schiff wurde als Knastersatz“ mißbraucht, faßt der GAL-Referent Dirk Hauer die Fakten zusammen. Die Rechtsanwälte, die sich inzwischen der liberianischen Jugendlichen angenommen und Asylanträge gestellt haben, beklagen außerdem, daß die Flüchtlinge ohne „Vorführbeschluß“ wieder aus Barmbek abgeholt wurden, berichtet Hauer. Soll heißen: Die Polizei stand vor der Tür des Kinder- und Jugendnotdienstes und hatte eigentlich nichts in der Hand, um die jungen Afrikaner mitzunehmen. „In diesem Moment führen die Betreuer Elternfunktion aus“, sagt Hauer. Die KJND-MitarbeiterInnen haben aber offensichtlich ohne Gegenwehr oder Schriftliches zu verlangen, die Kinder rausgerückt. Ein Fehler, den man inzwischen eingesteht. Die sechs Jungen wurden eine Woche später nach Oldenburg umverteilt. Silke Mertins