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Altes Haus auf kurzer Reise

■ Die Verschiebung des Kaisersaals auf der Sony-Baustelle am Potsdamer Platz wurde verschoben, weil das Ding sich einfach nicht bewegen wollte. Der Grund: "Havarie der Vorschubpressen". Heute nächster Rutschversu

Mehr Debakel als Spektakel erlebte Sony gestern bei der Verschiebung des „Kaisersaals“ auf seiner Baustelle am Potsdamer Platz. Statt auf die 75 Meter lange Reise zum neuen Standort zu gehen, die der denkmalgeschützte neobarocke Saalbau „luftgepostert“ auf Schienen zurücklegen sollte, blieb das Ding liegen. Erst hakte es, dann brachen die Schienen, das Vorschubsystem blockierte, und schließlich mußten sich die Sony-Manager und Promis noch die hämischen Pfiffe von demonstrierenden Kunststudenten anhören. „Pleitegeier. Hahaha“.

Ganze 50 Zentimeter hatte sich der 1.300 Tonnen schwere Koloß bewegt, dann mußte die Verschiebung („Translozierung“ genannt) abgebrochen werden. Die Weiterführung der Aktion wurde auf heute vertagt. Zuvor war der Saal in Position gefahren worden.

Echt Pech – oder die Fatalität der Technik? Dabei hatte alles so schön begonnen. Per Polizeieskorte wurden die Pressebusse bis vor das ehemalige Hotel Esplanade gefahren. Auf der 1,5 Milliarden Mark schweren Baustelle von Sony machte man Shakehands und Bussis.

Kameras blitzten, es gab Sekt und Selters. Drüben lag der nach monatelanger Vorbereitung auf Schienen gehievte Kaisersaal, dessen Verpflanzung bald losgehen sollte. Als historisches Herzstück, strahlte Sony-Geschäftsführer Edgar van Ommen, sollte der 1908 errichtete Saalbau in das Sony- Projekt integriert werden. Das wird jetzt noch dauern.

Das Unglück begann auch noch mit Wim Wenders. Kaum hatte der Filmregisseur, extra als Ehrengast engagiert, gerufen: „Altes Haus – gute Reise“ war es damit schon wieder vorbei. Der große, mit einem Steinmantel gesicherte Saalbau rutschte an, ging zehn, zwanzig, dreißig Zentimenter auf Fahrt und hing dann fest. Eine der vier Schienen war zuvor gekracht.

Erst schweißten Arbeiter die Gleise und montierten am System herum. Doch alles half nichts: Der Koloß blieb stehen. Bei der Ausrichtung des Gebäudes, trauerte van Ommen, seien die Vorschubpressen überlastet worden. Ob die Rutschpartie heute, wie einst geplant, in einem Zug durchgeführt werden kann, ist unwahrscheinlich.

Denkmalschützer hatten in der Vergangenheit heftig gegen die 50 Millionen Mark teure Verpflanzung der letzten originalen Reste vom Potsdamer Platz protestiert. Der Saal des einstigen Hotels Esplanade soll – ebenso wie der abgetragene Frühstücksraum – der Neuen Potsdamer Straße und den Glastürmen des Elektronikkonzerns weichen. Noch allerdings sträubt er sich dagegen. Rolf Lautenschläger

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