■ Koalition will Brandenburg den LER-Unterricht austreiben
: Gottlose Schulstunden

Sie gebärden sich, als stünde der moralische Verfall aller Sitten ins Land. Im letzten Jahr war es das Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Hüter christlicher Traditionen in Rage versetzte. Diesmal ist es ein Unterrichtsfach namens LER. Drei Buchstaben sind das nur, doch sie reichen aus, um die christlichen Parteien im Verbund mit den Liberalen zu mobilisieren.

Und so spielten sich Christdemokraten und -soziale gestern im Bonner Parlament als Wächter über deutsche Tugenden, Werte und Weltanschauungen auf. Unter Führung von Fraktionschef Wolfgang Schäuble wollten sie Brandenburgs SPD-Politikern die Gottlosigkeit austreiben. Denn dortige Politiker wollen an die Stelle des Religionsunterrichts das konfessionsfreie Schulfach „Lebensgestaltung – Ethik – Religionen“, eben LER, setzen. In diesem Fach, so die Zielsetzung, soll Schülerinnen und Schülern Lebenshilfe und -orientierung geboten werden. Sie sollen Toleranz und die Achtung vor anderen Religionen einüben können.

Wehe, ihr setzt diese Regelung tatsächlich durch und verbannt die Kirche aus euren Schulen! lautete die gestrige Botschaft. Wehe euch, sonst ziehen wir vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe! Immerhin ist doch der Staat zu strikter Neutralität verpflichtet. Und die, da sind wir uns sicher, versucht ihr zu verletzen.

Doch verpflichtet das Gebot der Weltanschauungsneutralität den Staat nicht auch zu Toleranz und zu einem Pluralismus in dieser Frage? Warum sollten die Kirchen eigentlich darin ein Monopol haben? Schulunterricht ist doch niemals frei von Weltanschauung. In westlichen Bundesländern ist ein entsprechend wertneutraler Ethikunterricht als Alternative zu Religion längst fester Bestandteil des Stundenangebots.

Die Brandenburger sollten sich von den Einschüchterungsversuchen der Bonner Regierungsparteien nicht beeindrucken lassen. Der angedrohten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht können sie gelassen entgegensehen. Immerhin gehören nur knapp 30 Prozent ihrer Bevölkerung einer christlichen Religionsgemeinschaft an. Warum sollte die Kirche bei solchen Mehrheitsverhältnissen noch Sonderrechte beanspruchen können? Karin Flothmann