■ Deutscher Haftbefehl für Irans Geheimdienstminister
: Affront gegen Lobbyist Kinkel

Am letzten Wochenende war für Ali Akbar Haschemi Rafsandschani die Welt noch in Ordnung. Während die Stimmen zu den fünften Parlamentswahlen der Islamischen Republik ausgezählt wurden, erklärte Irans Staatspräsident, sein Land habe mit Terrorismus nichts zu tun. Ein Freispruch im Berliner Mykonos-Prozeß werde dies beweisen. Keine Woche später besteht in Deutschland Haftbefehl gegen eines von Rafsandschanis Regierungsmitgliedern: Geheimdienstminister Ali Fallahian. Er soll persönlich den Auftrag zum Mord an vier kurdisch-iranischen Oppositionellen in Berlin gegeben haben.

Nun haben Richter und Staatsanwälte in Deutschland laut Verfassung politisch unabhängig zu sein. Daß der Haftbefehl wenige Tage nach dem „Antiterrorgipfel“ in Ägypten bekannt wird und deutsche Geheimdienstler als Informationsquelle einen nicht näher genannten „befreundeten Dienst“ angeben, läßt das Gegenteil vermuten. Solche Informationen können nur von Israels Mossad oder der CIA stammen. Beide arbeiten für Regierungen, die aus Wahlkampfgründen und gegen die Interessen vieler Regierungen in Europa den Iran isolieren wollen. Der Zeitpunkt des Haftbefehls läßt so vermuten, daß die Bundesanwaltschaft ihrem politischem Druck nachgegeben hat.

Bundesaußenminister Klaus Kinkel, der stärkste Protagonist des „kritischen Dialogs“ mit Irans Führung, dürfte es nun noch schwerer haben, die vor allem wirtschaftlichen Kontakte Deutschlands zu Iran zu verteidigen. Seine für nach den Landtagswahlen Ende des Monats geplante Teheran-Reise wird er wohl erneut verschieben müssen.

Dabei ist die Verwicklung Fallahians in die Mykonos-Morde schon seit Monaten weitgehend unumstritten. Ein Schreiben des Verfassungsschutzes an den Generalbundesanwalt, das letzte Zweifel ausräumt, datiert vom 22. Dezember 1995. Auch Rafsandschani sollte dies gewußt haben. Doch der iranische Präsident tue sich mit eindeutigen Verurteilungen des (bisher auch vom eigenen Land ausgehenden) Terrorismus schwer, solange er im Parlament über keine Mehrheit verfüge, meinen Beobachter in Teheran.

Die in Iran aktive deutsche Wirtschaft tobt angesichts des Haftbefehls. Sie hofft bei den kommenden Stichwahlen in Iran auf einen Sieg der „Technokraten“ um Rafsandschani. Daß ausgerechnet der Bundesgerichtshof gegen ihre Interessen und ihren Lobbyisten Kinkel agiert, ist eine gute Pointe. Eine rückhaltlose Distanzierung Irans vom Terrorismus dürfte sie jedoch erschweren. Rafsandschanis Gegner tun alles, um außenpolitische Mißerfolge des Präsidenten in eigene Erfolge umzumünzen. Thomas Dreger