Vom Glück des Mißgeschicks

■ Das Ensemble „L–Art pour L–Art“ spielte Werke von Jo Kondo

Illustren Besuch hatte Hamburgs Orchester für moderne Musik, das Ensemble L'Art pour L'Art, am Freitag auf Kampnagel beim Konzert mit Werken des Japaners Jo Kondo, der selbst im Publikum saß. Zum Auftakt wurde noch ein raumgreifendes meditatives Trio-Werk von Morton Feldman gegeben. Hier bereits stellte sich jene Aura angestrengten avantgardistischen Ernstes her, auf die Hegels Diktum paßt, daß in der Angst vor dem Irrtum der Irrtum bereits beginne.

Jo Kondos Winsen Dancestep, ein dem Ensemble gewidmeter Kompositionsauftrag, ließ dann nur ahnen, daß hier ein heiter-ironisches Tänzchen gemeint ist; heraus kam etwas vom Charme einer Heiligen Messe, kein echtes Tanzschrittchen konnte sich aus dem beflissenen Trio für Flöte, Gitarre und Schlagzeug befreien.

Den ebenso heiteren wie erleichternden Abschluß fand der leicht klamme Abend in der K4 dann jedoch bei Kondos Quintett Words – dank eines glücklichen Mißgeschicks: Dem exakten Ritus von Tontreffen und Notenblattumblättern unterworfen, rasselte der Harfenistin Eva Press kurz nach Beginn das Endlos-Notenblatt vom Ständer. Rührend zuckte sie die Schultern in Richtung des dirigierenden Michael Schröder, als könne der sie ungesehen und dies ungeschehen machen – und endlich, endlich wurde gelacht.

Da ging ein Knopf, ja eine ganze Knopfreihe auf, und Schröder schaltete sich kichernd mit den Worten ein: „Wir fangen nochmal von vorne an.“ Nach kurzem Aufatmen war ein kräftiger Hauch Leben ins Spiel der strengen Fünf hineingeweht. Hatten die Musikanten zuvor eher besorgte, vergewisserungssüchtige Blicke gewechselt, so entwickelten sie nun eine selbstgewisse sichtbare Freude am Zusammenspiel. Möglicherweise war auch Jo Kondo etwas erleichtert, und er applaudierte am Ende gemessen den InterpretInnen. Im Foyer hieß es: „Das war's Schönste“ und mithin der Abend auf den letzten Partiturseiten doch noch gerettet. Julia Kossmann