Hauptsächlich Hampelmann

■ Im „Pier 2“ kam das Publikum bei zweieinhalb Stunden Helge Schneider auf seine Kosten / Fans von 15 bis 50

Die Band hatte das Publikum schon in Fahrt gebracht, als Helge auf die Bühne kam. Lufthansa-Kapitäns-Jackett zu knappen Shorts, Haare glatt und geschnitten. Hampelte aber rum wie immer. Zweifel machten sich breit im „Pier 2“: Hatte Helge an seinem Image gebastelt? Dann öffnet sich eine Klappe in der Bühne, Nebel wallen, und es entsteigt den Tiefen Helge Schneider, der Leibhaftige. Lederdress mit Country-Fransen, klobiges Schuhwerk, weiße Socken, verfilzte Nackenmatte, Bärtchen, Brille. Alles wie immer, alles bestens.

„Martin, der Auszubildende“ war das bloß, ruft Helge in die Menge. „Die haben mich hier festgehalten!“ Gelungenes warming-up; das Publikum johlt. Vor allem natürlich die scharenweise angetretenen Kids, die in der Halle für Stimmung sorgen. Abwartend die twenty-somethings, die sich regelmäßig durch die Reihen quetschen, um die Luft aus den Bierbechern füllen zu lassen. Und ein paar reifere Damen und Herren hat es auch zu Helge Schneiders „Come back“-Tour 95/96 verschlagen; die kommen wie auf Zuruf in Laune. Davon später.

Jetzt erstmal: „Zwei Vögel wollten Hochzeit machen“, Version Schneider, nebst eingestreutem Gazellen-Witz, den man mit viel Matsch imaginieren müsse, dann sei er perfekt. Perfekt inszeniert auch, wie alles danebengeht in der Show. Wie die Nebelmaschine ihren Geist aufgibt, die Lichtanlage Mucken macht und die livrierten Helferlein. Und natürlich Helge selbst, gerade 40 geworden, „ein Viertel seines Lebens“ hinter sich, der mal ein Schlagzeug schlägt, eine Querflöte quält und mit den drumsticks jongliert. Das Mikro immer ganz nah am Mund, denn zu seiner stimmlichen Bandbreite gehören die Nebengeräusche, die – gemeinhin ausgeblendet – bei Helge Schneider fröhliche Urständ' feiern: Schnaufen, Rülpsen, Gähnen etc. Und die Big Band spielt dazu, prima aufeinander eingestellt, eine bunte Mischung, die Jungs. Drei Bläser „vom Arbeitsamt Bremen, Schnelldienst“ sind auch dabei, der coole Buddy Casino am Harmonium und der nicht mehr ganz taufrische Charlie Weiß, vollbärtig mit Cowboy-Hut, an den Congas. Charlie darf erst mal ein Solo hinlegen, während Helge ein Gespräch hereingereicht wird. Die Frau des Schlagzeugers. Es passe jetzt nicht, nölt Schneider ins Handy, aber man treffe sich, wie üblich: „Ich fick dich von hinten.“ So grob gestrickt können die Späße Schneiders sein; doch der Mann kann auch anders, viel besser. Zum Beispiel, wenn der Gaze-Vorhang sich vor der Band geschlossen hat und Helge ganz alleine ist – mit einem sehr guten alten Freund, seinem ersten Scheinwerfer. In den er fast hineinkriecht, während er seinen ersten Auftritt heraufbeschwört und aus einem Besenstiel ein Mikro geschnitzt hat. Mutter wollte die Bügeleisen-Schnur aber nicht als Kabel beisteuern – sie machte doch die Wäsche „für die ganze Straße“.

Und dichten kann er auch, extra für den Auftritt hier, für „die Presseheinis und die liebe vollgefressene Bourgeoisie. Bißchen sozialkritisch ...“ Beispiel: „Ganz Bremen ist erbaut aus Lehm“.

So lieben sie ihn, aber wann kommt endlich das „Katzenklo“? Jenes undefinierbare Etwas zwischen Dada und Schlaga, wodurch Helge Schneider „sehr viel Geld verdient habe“. Aber „auch sehr viel ausgegeben“. Pommes mit Mayo für vier, zum Beispiel. Kurz angestimmt wird es, doch erst nach der Pause darf's raus. „Katzenklo, Katzenklo. Ja, das macht die Katze froh.“ Wiederholung ad libitum steigert den Effekt. Singen muß einer der drei Bläser vom Arbeitsamt, und auch diesmal funktioniert das scheinbar Improvisierte bestens.

Doch die blonde Mitt-Dreißigerin mit Brigitte-Frisur und Brillengestell mit der markanten Note läßt das noch kalt. Erst als Helge zur ersten Zugabe kommt und sein „wildes Mädchen, schüttele Dein Haupthaar“ anstimmt, kommt sie in Wallung. Und verschwindet unmittelbar danach. „Klasse, Helge“, schallt es aus der Menge. Und Helge bedankt sich mit einer liebenswerten, kleinen musikalischen Reise mit Jacques Cousteau in den Tiefen des Ozeans. In deren Verlauf Cousteau schließlich von einem weißen Hai gefressen wird, nachdem ihn Schneider gerade noch fragen konnte, warum er „eine so lange Nase habe“.

Doch Helge und bloß ein paar hingetropfte Klaviertöne, da kam etwas Unruhe ins Publikum. Mehr Helge, weniger Big Band, bitte. Aber so lassen sich große Hallen vielleicht nicht füllen.

Alexander Musik