Sankt Patrick, der Schutzheilige der Ausgrenzung Von Ralf Sotscheck

Er hat die Schlangen aus Irland vertrieben und den Barbaren nebenbei das Christentum nahegebracht. Das war im 5. Jahrhundert. Inzwischen ist Sankt Patrick der Schutzpatron der Grünen Insel, an seinem Geburtstag prosteten sich gestern 70 Millionen Menschen irischer Abstammung mit Guinness oder, wie in den USA, mit grüngefärbtem Dünnbier zu. Wenn sie nicht aus irgendwelchen Gründen ausgegrenzt wurden. Und Gründe dafür gab es genug.

Die irische Regierung und die Oppositionsführer sowie die Parteichefs Nordirlands durften in den USA dabeisein, während die Grüne Insel führungslos im Atlantik trieb. Die Clintons hatten ins Weiße Haus geladen. In den USA wird gewählt, und da sich – neben Präsident Bill – 40 Millionen auf irische Wurzeln berufen, könnte sich der Umtrunk später an der Wahlurne auszahlen. Die Unionistenchefs waren auch gekommen: Sie hatten sich St. Patrick flugs zum protestantischen Briten und Symbol für die britisch-irische Einheit hingebogen. Nur Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams mußte draußen bleiben. Statt dessen marschierte Adams an der Spitze der New Yorker Parade. Dort durften aber weder bei Schwulen- und Lesbenorganisationen noch politischen Organisationen mitlaufen. Auf einer Kulturveranstaltung hätten diese nichts zu suchen, meinten die Veranstalter.

In Dublin gab man sich multikulti und ernannte den schwarzen irischen Fußballer Paul McGrath zum Marschall der Parade. Es sei doch toll, meinte einer der Organisatoren, daß ein Neger mit Dubliner Akzent die Parade anführe. Eine andere multikulturelle Attraktion, die furchteinflößenden Lambeg-Riesentrommeln der nordirischen Unionisten, fiel allerdings aus: Sie fühlten sich in ihrer Haut nicht wohl, sagten die Trommler, wenn sie im feindlichen Ausland auftreten müßten. Hurtig organisierte man australische Didgeridoos als Ersatz. Ist ja für die Dubliner ähnlich exotisch wie die Lambeg Drums. Es gehe ohnehin nicht darum, die Eingeborenen zu unterhalten, sagte Frank Magee vom Fremdenverkehrsamt, „sondern darum, Dublin als Touristenziel herauszustellen“.

Und dabei stören die NorddublinerInnen. Der Nordteil der Stadt, die durch den Fluß Liffey geteilt ist, gilt als ärmlich und heruntergekommen. Zum Verdruß der Veranstalter liegt die O'Connell Street, Dublins breiteste und berühmteste Straße, nördlich der Liffey – wenn auch nur knapp. So hastete die Parade diesmal nur kurz zu den Barbaren über die Brücke, flitzte an der Tribüne auf der O'Connell Street vorbei und machte schnurstracks wieder kehrt. Das war nicht weiter gefährlich, weil ein Tribünenplatz 60 Mark kostete – das konnte sich das arbeitsscheue Pack von der Nordseite ohnehin nicht leisten.

Auf der Südseite ging es gesittet zu. Fast eine halbe Million grüngekleidete Menschen winkten der Parade zu, in der aggressive Produktwerbung diesmal verboten war. In den letzten Jahren hatten die Sponsoren, wie ein bekanntes US-Spezialitätenrestaurant, gigantische Hamburger auf Rädern ins Rennen geschickt. Gestern sollte jeder etwas Weißes mitbringen: einen Schal, ein Taschentuch oder ein paar Socken. Auf Kommando gab es eine winkende mexikanische Welle in Weiß – für den Frieden in Nordirland.