Tödliches Risiko aus der Gen-Küche

■ US-amerikanische Wissenschaftler weisen erstmals das Gefahrenpotential genmanipulierter Nahrung nach

Berlin (taz) – Im Labor neukonstruierte Lebensmittel, die aus genmanipulierten Pflanzen bestehen, können ein tödliches Risiko bedeuten. Ein Forschungsbericht über das Gefahrenpotential manipulierter Sojabohnen hat die schlimmsten Befürchtungen der Gentech-KritikerInnen bestätigt: Die mit einem Gen der Paranuß neu gestylte Sojabohne der US-Firma Pioneer löst allergische Reaktionen bis hin zu „lebensbedrohlichen Symptomen“ aus.

Wissenschaftler der Universität Nebraska beschreiben in der soeben erschienenen Ausgabe des US-Medizin-Fachblattes New England Journal of Medicine ihre Tests mit freiwilligen Versuchspersonen und mit Blutseren von allergiesensitiven Patienen. Dabei zeigten die Testpersonen im sogenannten Pricktest auf der Haut und auch in verschiedenen Bluttests selbst bei hohen Verdünnungen der Pflanzenextrakte starke allergische Reaktionen auf die Gentech-Bohnen. Damit ist erstmals von einem angesehenen Wissenschaftlerteam nachgewiesen worden, welch großes Gefahrenpotential die im Genlabor künstlich zusammengebauten Lebensmittel enthalten können. Hätten NußallergikerInnen von den Sojabohnen tatsächlich gekostet, wäre eine möglicherweise tödliche Schockreaktion die Folge gewesen. Die Veröffentlichung hat nicht nur in den USA eine neue Diskussion über die Zulassung und Kennzeichnung genmanipulierter Lebensmittel ausgelöst. Da bisher keine Kennzeichnung genmanipulierter Lebensmittel vorgeschrieben ist – die Ware wäre sonst unverkäuflich –, können AllergikerInnen die gengestylte Turbokost nicht von natürlichen Lebensmitteln unterscheiden. Das Europaparlament hatte noch am Dienstag abgelehnt, sämtliche gentechnisch veränderten Lebensmittel zu kennzeichnen.

Die Gentech-Expertin der Grünen, Hiltrud Breyer, sprach gestern von einer „herausragenden Bedeutung“ der US-Studie, die hoffentlich ein neues Denken über „Novel food“ provozieren werde. Das russische Roulette mit genmanipulierter Nahrung müsse gestoppt werden, bevor es zu spät sei. Die VerbraucherInnen dürften nicht zum Experimentierfeld der Lebensmittelindustrie verkommen.

Beatrix Tappeser vom Öko-Institut Freiburg wies auf die dramatische Zunahmen von Allergien vor allem bei Kindern hin. Sie könnten sich in keiner Weise schützen, wenn die Gentech-Ware nicht gekennzeichnet sei. In vielen Fällen gebe es zudem keine Möglichkeiten, das Allergiepotential der neukonstruierten Pflanzen zu testen. Im Falle der Sojabohnen von Pioneer hätten allein glückliche Umstände zur Entdeckung der möglicherweise tödlichen Risiken geführt, weil Nußallergien bekannt und häufig seien.

Manfred Kriener Seite 13