„Wir müssen in China eine wirtschaftliche Basis aufbauen“

■ Felix S. T. Chen, Vorsitzender des taiwanischen Elektrokonzerns Sampo, ist gegen einen Konfrontationskurs

Mit weltweit knapp 1 Milliarde Mark Umsatz, davon rund 15 Prozent in der Volksrepublik, gehört der Sampo-Konzern heute zu den wichtigsten taiwanischen Investoren in China. Das Unternehmen will beim Verkauf von Fernsehern, Kühlschränken, Waschmaschinen und Kühlanlagen einen Marktanteil von 10 Prozent in China erlangen. Felix Chen übernahm die Führung des ehemaligen Familienkonzerns 1987 von seinem Vater.

taz: Der Name Sampo steht in Asien für ein entschiedenes China- Engagement. Läßt Sie die Kriegstreiberei in Peking heute um Ihre Investitionen bangen?

Felix Chen: Natürlich sind wir sehr besorgt. Die letzten Tage haben uns viel Kopfschmerzen bereitet. Beide Seiten müssen Vorsicht üben, damit es nicht wirklich noch zum Krieg kommt. Ich werde deshalb noch an diesem Montag nach Peking aufbrechen und versuchen, nicht nur meine Angestellten dort zu beruhigen, sondern auch den dortigen Führern die Sorgen unserer Geschäftsleute mitzuteilen und sie zur Zurückhaltung zu bewegen. Meine Botschaft lautet: Wenn sie in Peking so weitermachen, werden sie unsere Investitionen verlieren. Wir können auch nach Vietnam oder Indonesien gehen.

Wo sehen Sie die Ursachen für die chinesischen Drohgebärden?

Die Ereignisse sind ein Teil des Machtkampfs in der chinesischen Führungsspitze. Außerdem will Peking die taiwanische Unabhängigkeitsbewegung und unseren Präsidenten, der manchmal leider etwas viel redet, einschüchtern. Ein anderes Problem ist, daß die für die Manöver zuständigen Generäle nicht wissen, welchen wirtschaftlichen Schaden sie anrichten können.

Glauben Sie, die Generäle könnten es ernst meinen?

Ich denke nicht, daß es Krieg gibt. Die Chinesen haben Taiwan gezeigt, wie ernst sie es nehmen, wenn hier bei uns von Unabhängigkeit geredet wird. Jetzt kommt es auf die Antwort des Präsidenten an, den wir am Wochenende wählen. Dabei könnte die Krise den positiven Effekt haben, daß beide Seiten nun den Punkt kennen, von dem der andere nicht zurückweicht. Von da aus lassen sich neue Beziehungen aufbauen. Ich habe deshalb am Wochenende einen neuen Investmentfonds für China vorgeschlagen.

Wie stehen Sie zu der Frage der Wiedervereinigung mit China?

Wir sollten von Deutschland lernen. Nur mit Liebe, nicht mit Haß kommen wir weiter. Natürlich war Westdeutschland vergleichsweise stärker als wir. China und Taiwan sollten sich deshalb gegenseitig helfen.

Führt dieser Weg nicht zwangsläufig in die Abhängigkeit von China?

Wenn Taiwan eines Tages hundertprozentig von China abhängig wäre, ist die Zeit für die Wiedervereinigung gekommen. Das würde bedeuten, daß die Chinesen bei uns Geschäfte machen könnten und kein Interesse mehr hätten, unser Land mit Raketen zu beschießen. Heute sind wir gegen die Wiedervereinigung, weil China arm ist. Wenn das Pro-Kopf-Einkommen der Chinesen jetzt bei 20.000 US-Dollar liegen würde, wären wir alle für die Wiedervereinigung – egal ob mit oder ohne der kommunistischen Partei. Und wenn China in 20 oder 30 Jahren eine führende Weltmacht ist, werden wir alle mit Stolz Chinesen sein.

Haben Taiwan und der Westen auf die Krise überreagiert?

Es waren die Chinesen, die überreagierten. Aber das größte Problem ist, daß wir uns als die Guten und die anderen als die Bösen darstellen. Das erzeugt nur Mißverständnisse. Dabei würde der Krieg niemandem helfen. Auch japanische und amerikanische Investitionen gingen verloren. In Taiwan gäbe es vielleicht wieder Kriegsrecht, und wir müßten alles Geld für Waffen aus Amerika ausgeben. Die Leute würden emigrieren.

Stellt eine fortdauernde Konfrontation mit China die Vision des asiatischen Jahrhunderts in Frage?

Wenn die Spannung nicht abnimmt, wird sich das mit Sicherheit negativ auf das Wirtschaftswachstum in der Region auswirken. Doch daran glaube ich nicht: Entweder die Chinesen wollen kämpfen oder nicht. Jede andere Konfrontationsstrategie wäre auf Dauer nur teurer als ein Krieg und brächte keine Ergebnisse.

Ihre Firma bringt den Chinesen Kühlschränke, Waschmaschinen und Fernseher. Wie läuft das Geschäft?

China ist unser wichtigster ausländischer Absatzmarkt. Wir erwirtschaften dort 15 Prozent unseres Umsatzes und unterhalten mehrere Fabriken. Es ist Zeit, daß wir dort eine wirtschaftliche Basis aufbauen. Unsere Investitionen sind eine Brücke für bessere Beziehungen an der Taiwan-Straße.

Ist die Verschärfung des Konflikts entgegen Ihren Bemühungen nicht vorprogrammiert?

Natürlich wollen wir alle unabhängig sein. Doch das ist unmöglich. Wir müssen aus der denkbar schlechtesten Situation das Beste machen. Interview: Georg Blume