Gastgeber und Gäste

■ Die Debatte über „die Kurden“ geht von vorn los

Jetzt lamentieren alle von CDU bis SPD wieder mal darüber, daß militante Kurden ihr Gastrecht mißbrauchen. Stellen Sie sich vor, Ihr Gastgeber würde jede Ihrer Aktivitäten von vornherein als kriminell einstufen. Wie würden Sie sich als Gast fühlen, wenn der Gastgeber für Ihre Verfolgung mitverantwortlich ist und für die Ermordung Ihrer daheimgebliebenen Angehörigen die Waffen liefert?

Gastrecht ist ohnehin ein schwieriges Kriterium für Menschen, die einem Völkermord ausgeliefert sind. Sie brauchen unseren Schutz und unsere Hilfe für eine politische Lösung in ihrer Heimat. Dies ist den KurdInnen in der Bundesrepublik noch niemals zuteil geworden. Im Gegenteil. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung wurden Vereins- und Betätigungsverbote für die PKK durchgesetzt und die KurdInnen ihrer kulturellen Identität beraubt. Was man wirklich damit erreichen wollte, wird überdeutlich, wenn Kanther und Kinkel jetzt die weitere Verschärfung des Ausländergesetzes und die sofortige Abschiebung der „Rädelsführer“ in die Türkei fordern.

Das Verfolgen kurdischer Fähnchen und das Verbot kurdischer Demonstrationen und Veranstaltungen, die Kriminalisierung von etwa 300.000 in der Bundesrepublik lebenden KurdInnen, haben auf jeden Fall erreicht, daß es eine Solidarisierung auch mit gewalttätigen DemonstrantInnen gibt. Statt die PKK als Verhandlungspartnerin auf einem Weg zu einer friedlichen Lösung zu akzeptieren, das einseitige Waffenstillstandsangebot ihres Vorsitzenden Öcalan als Chance zu begreifen, wird das Verbreiten seiner Vorschläge als Werbung für eine terroristische Vereinigung denunziert und der Protest gegen Greuelbilder, die türkische Soldaten mit den abgeschlagenen Köpfen kurdischer Menschen zeigen, als „jugendgefährdend“ eingestuft.

Die Bundesrepublik sollte sich als verantwortungsvoller Gastgeber verstehen. Demokratie ist nicht vermittelbar, wenn man Menschen der Folter und dem Tod ausliefert, anstatt sie nach deutschem Recht für ihre Taten verantwortlich zu machen – weder der türkischen Regierung vermittelbar noch dem gewaltbereiten Teil der KurdInnen. Marion Seelig

Vorsitzende des deutsch-kurdischen Freundschaftsvereins, innenpolitische Sprecherin der PDS- Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus