Ex-Sowjetunion wieder vereint – gegen die Duma

■ Nachfolgestaaten der UdSSR kritisieren Beschluß des russischen Parlaments zur Wiedererrichtung der Sowjetunion: Er befördere die Nato-Osterweiterung

Scharf und unmißverständlich haben die Nachfolgestaaten der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) auf die Entscheidung der russischen Staatsduma reagiert, die 1991 aufgelöste Sowjetunion wieder zum Leben zu erwecken.

Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew warnte, Versuche, die Sowjetunion wiederherzustellen, könnten die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) ernsthaft destabilisieren und Blutvergießen zur Folge haben. Der Präsident Usbekistans, Islam Karimow, warf der Duma populistisches Verhalten vor, „das nichts mit unserer Politik zu tun hat, Unabhängigkeit und Demokratie zu stärken“. Moldawiens Außenministerium sprach von „einem direkten Übergriff auf Unabhängigkeit und Souveränität“ des Landes. Gleichlautende Proteste kamen aus Kirgistan, Tadschikistan, den baltischen Staaten und der Ukraine.

Georgiens Präsident Eduard Schewardnadse rief die GUS- Staaten gestern zu einem Krisengipfel auf, um prophylaktische Maßnahmen gegen eine mögliche kommunistische und nationalistische Revanche aus Moskau zu ergreifen: „Niemand soll glauben, daß diese Frage nur Rußland interessiert. In der gegenwärtigen Situation sollten außerordentliche Maßnahmen getroffen werden“, meinte der ehemalige Außenminister der UdSSR nach einem Gespräch mit Rußlands Präsident Boris Jelzin. Schewardnadse wollte sich eigentlich mit dem kommunistischen Vorsitzenden des russischen Unterhauses, Gennadij Selesnjow, während seines Moskaubesuchs treffen, sagte aber den Termin kurzfristig ab. Der Duma-Vorsitzende reagierte barsch; indigniert gab er zu verstehen, dieser Schritt diene nicht den russisch-georgischen Beziehungen. In Tiflis dürfte man das als Drohung auffassen.

Auch der Präsident der Ukraine, Leonid Kutschma, kritisierte den Duma-Beschluß und äußerte indirekt Verständnis für die Nachbarstaaten, die sich nun verstärkt um eine Aufnahme in die Nato bemühen werden. Am Rande seiner Gespräche mit US- Außenminister Warren Christopher sagte er: „Ich glaube, diese Entscheidung hat den osteuropäischen Staaten, die bisher nur ihre Absicht geäußert haben, der Nato beizutreten, den Vorwand geliefert, aktiver zu werden.“

Inzwischen erklärte der Vorsitzende der russischen KP, Gennadij Sjuganow, seine Partei denke nicht an eine gewaltsame Wiedererrichtung der UdSSR. Rußlands Außenminister, Jewgenij Primakow, bewertet den angerichteten Schaden dennoch ziemlich hoch. Der Reintegration der GUS, die die Regierung bereits verfolge, hätte die Resolution einen schweren Schlag versetzt. Klaus-Helge Donath