Frühlingsgrüße vom Kühlergrill

■ Der Lenz ist da! Was sagt der Dichter, was die Blumenfrau, was die Wetterkunde?

Frühling läßt sein blaues Band

Wieder flattern durch die Lüfte;

Süße, wohlbekannte Düfte

Streifen ahnungsvoll das Land.

Veilchen träumen schon,

Wollen balde kommen.

–Horch, von fern ein leiser Harfenton!

Frühling, ja du bist's!

Dich hab' ich vernommen!

Möricke, „Er ist's“

Den Frühling wollen Sie sehen? Da müssen Sie halt mal am Leibnizplatz nachsehen, rät Frau Neumann. An der alten Schule. Dort, wo immer schon die Kirschbäume standen – Cornelkirschen, präzisiert die Blumenfrau. Wenn die Cornelkirschen blühen, und das tun sie ziemlich früh – „dann ist der Frühling da.“ Das war schon so, als sie und ihr Mann ihren Stand auf dem Domshof aufmachten, 1955. „Da gab's das alles ja gar nicht“, sagt Herr Neumann und blickt auf die Blumenpracht, die möglichst heute noch er an die Bremer Frühlingsblumenschenker verkaufen will. Nein, damals gab's ausschließlich: Weidenkätzchen, Forsythien, Kastanienzweige und eben Cornelkirschen. Dazu ein bißchen Birkengrün. Aber in diesem Frühling stehen den Neumanns alle Farben und Formen zur Verfügung. Seit vorgestern fordert die Kundschaft wieder den üblichen, den „bunten Frühlingsstrauß“. In diesem Jahr möglichst mit viel Gelb, die Farbe der Sonne. Neumanns, in Cordhut und Schürze gewandet, binden alles hübsch zusammen: „Wir handeln ja mit Schönheit“, nicht etwa nur mit Grünzeug. „Alles natürlich vorgetrieben“, murmelt Neumann; „von Natur aus ist sowas doch gar nicht möglich.“.

Lob der polimeren Schutz-schicht

Frühling ist, wenn Papa den Chromputz rausholt. Frühling ist der blumige Geruch, wenn das Autoabwaschwasser in der Erde hinterm Haus versickert. Frühling – Zeit für: „die neue Hartglanzversiegelung mit polimerer Schutzschicht“. Geeigent für: „Auto – Boot – Caravan – Haushalt“. So leuchtet–s den Flaneuren entgegen, die vom Blumenmarkt in Richtung Domshof passieren. Dort prangt, zwischen den Kohlköpfen und Erbsensuppen der Marktstände, in harter Konkurrenz zu Neumanns Blumenschönheiten, ein Mittelklassewagen, so schön, so sauber, so hartglanzversiegelt – das hat der Papa noch nicht gesehen. Es lacht der Kühlergrill, es glänzet die Stoßstange in der Frühlingssonne, und auch das verchromte Hufeisen an der Schnauze ward nicht vergessen. Er ist's!

Wohl denk ich jener sel'gen Jugendträume

(Obschon sich die Gefühle mir versagen),

Wann in den ersten milden Frühlingstagen

Im Busen sich mir drängten volle Keime;

Die Ahnung lockte mich in ferne Räume,

Wenn wo ein Laut des Lenzes angeschlagen;

Die Hoffnung wollte sich zum Lichte wagen,

Wie aus den Knospen frisches Grün der Bäume.

Uhland, „Öder Frühling“

Von Sakko und Asche und den Trendfarben

„Sogar die HK“, sagt Frau Fleiss über die Herren-Konfektion, „ist sehr intensiv geworden in den Farben.“ Frau Fleiss muß es wissen: Die Einkäuferin bei „H W Meyer“ wacht seit ihrem 20. Lebensjahr über den Wandel der Moden. Und wenn schon die Herren in diesem Frühjahr ihre handelsübliche Sacko-und-Asche-Kluft gegen Buntwäsche eintauschen, wie farbenfroh treibt es da erst die Damenwelt. Lauter „laute, kräftige Töne“, sagt Frau Fleiss, selbst in ein blauschwarzes Kostüm gewandet. Favoriten der Saison: Orange und Grün, in allen Varianten; „Apfelgrün, Kiwi, Erbse, Pistazie ...“ – alle Längen, alle Schnitte. Außerdem: Hellblau, Gelb, Rot, Pink. Alles, nur kein Marinelook. „Und kein Lila, das kommt nur alle zehn Jahre vor.“

Bunter liebt es nur die Jugend, weiß Frau Fleiss. Die Palette, die nun in ihren Regalen auftaucht, um die gesetztere Kundschaft frühlingshaft zu kleiden, verdankt ihre Buntheit auch dem letztjährigen Trend zu psychedelsichen Sixties-Klamotten. Die Neonfarben der Neohippies, plus die Grellheiten der Tekknoszene: Das ergibt die Farben der Saison. Frisch von der Stange also: Nylonjacken in Signalorange, im angesagten Look der Sicherheitsjacken von Streckenarbeitern; darunter Hemd und Strickpulli (Zopfmuster) in Signalorange; darunter die grüne Hose (Pistazie? Erbse? Frosch?); und darunter, quasi als Überraschungsei: die Boxershorts in – Signalorange. Schutzbrillen am Ausgang, gleich neben der Kasse.

Warme Luftmassen aus Südwest

Frühling ist um 9.03 Uhr. Nämlich: „Wenn die Sonne auf ihrer scheinbaren Bahn um die Erde über den Äquator wandert.“ So spricht die Meteorologie, resp. der Deutsche Wetterdienst zu Offenbach. Für die Wetterkundler ist sowieso schon seit 1. März Frühling: Die vollen Monate rechnen sich einfacher. Frühling ist demnach, wenn „Luftmassen aus Südwest heranwandern“. Noch aber hält sich zäh das Ost-Hoch, das sibirische. „Die Natur ist deutlich zurück“, präzisiert Herr Heinemann vom Seewetteramt Hamburg kalten Bluts. Gegenüber dem amtlichen Mittelwert liege der Bremer Frühling zahlenmäßig hinten: 3,9 Grad war der März im Schnitt der letzten 30 Jahre warm – bisheriger Schnitt für März –96: nur 3 Grad Komma Null. Aber die Meteorologie spendet, wie immer, Trost. Im kalten Winter 1987 lasen die Bremer noch Tiefstwerte von –18,7 Grad ab. „Nachtfröste sind noch drin“, schwant Heinemann. Na, dann: hinaus in den Frühling.

tw

Jeden, außer an die Toten,

Sendet Frühling einen Boten,

Ein Gezwitscher aus den Lüften,

Eines Wölkchens helles Wehn,

Einer roten Knospe Springen,

Irgendein vestohlnes Düften,

Oder ein verlornes Singen –

Lenz, wer kann dir Dir widerstehn?

C.F. Meyer, „Lenz, wer kann dir widersteh'n“