„Wer fährt schon gern ins Blaue?“

Kultursenator Radunski verspricht, trotz der 19,2 Millionen Mark Einsparungen bei der Kultur keine Institution zu schließen, sondern Konzepte zum Sparen auf Dauer zu entwickeln  ■ Von Miriam Hoffmeyer

Die Berliner Opern und Theater müssen sich auf grundlegende Änderungen ihrer Strukturen einrichten. „Das Einsparungspotential ist in den bisherigen Strukturen nahezu erschöpft“, erklärte Kultursenator Peter Radunski (CDU) gestern auf einer Pressekonferenz.

Der jüngste Entwurf zum Nachtragshaushalt 1996 sieht Einsparungen in Höhe von 19,2 Millionen Mark im Kulturbereich vor, die größtenteils von den Etats der Opern und Theater abgehen. So müssen die drei Opern auf insgesamt 9 Millionen Mark verzichten. Trotz der Kürzungen kosten alle Staatstheater zusammen immer noch ein Drittel des diesjährigen Kulturetats von fast 1,1 Milliarden Mark.

Die Museen und Bibliotheken dagegen bleiben von den Sparmaßnahmen verschont. Auch die freien Theatergruppen, denen ursprünglich eine Million Mark Zuschüsse gekürzt werden sollten, kommen nun doch ungeschoren davon. „Ich sehe nicht ein, daß wir nur die großen Privattheater finanzieren und die kleinen eingehen lassen“, sagte Radunski.

Im nächsten Jahr wird noch mehr eingespart werden müssen als 1996. Rechtzeitig zur nächsten Haushaltsdebatte will die Kulturverwaltung des Senats deshalb gemeinsam mit den Subventionsempfängern Konzepte entwickeln, wo sich auf Dauer sinnvoll sparen läßt. „Von diesen gemeinsamen Anstrengungen wird sich keine Institution ausnehmen können“, betonte Radunski. Viel zu lange hätten sich alle Einrichtungen voneinander isoliert und nur für sich selbst gewirtschaftet.

Jetzt sollen eine Opern- und eine Sprechtheaterkonferenz eingerichtet werden, die über Möglichkeiten der Zusammenarbeit und eine effizientere Wirtschaftsweise nachdenken sollen. Geplant sind:

g die Zusammenlegung von Verwaltungen,

g die gemeinsame Nutzung von Werkstätten, Fundus und Fuhrparks,

g die Einführung einer Obergrenze für Star-Gagen.

Überdies sollen sich die Institutionen nach Ansicht der Kulturverwaltung wieder auf ihren „Kernauftrag“ besinnen: Museen sollen mehr Objekte aus eigenen Sammlungen und weniger Sonderausstellungen zeigen, Theater die Zahl ihrer Nebenspielorte reduzieren. Schließlich, meint Radunski, sei auch zu überlegen, ob nicht noch weitere Staatstheater in GmbHs umgewandelt werden könnten. Dann würden die jährlichen Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst den Kulturetat nicht mehr belasten. „Betriebsbedingte Kündigungen sollten möglich sein“, meinte der Kultursenator.

Eine verstärkte Zusammenarbeit der einzelnen Häuser könnte auch die Einnahmen steigern. In Zukunft sollen die einzelnen Sparten

g ihre Schließtage und ihr Programm miteinander abstimmen,

g gemeinsame Marketing-, Sponsoring- und Merchandising-Strategien entwickeln und

g einen gemeinsamen Kartenservice anbieten. Dadurch könne Berlin auch für Touristen interessanter werden, meinte Radunski: „Wer in einem halben Jahr nach Berlin reisen möchte, der kann heute noch keine Opernkarten vorbestellen – er erfährt nicht einmal, was dann auf dem Programm steht. Aber wer fährt schon gern ins Blaue?“

Nach wie vor soll keine Institution geschlossen werden. Götz Friedrich, Generalintendant der Deutschen Oper, erklärte zwar angesichts des Nachtragshaushalts, er könne nicht ausschließen, daß sein Haus vorübergehend dichtmachen müsse. Kurzfristige Schließungen, sagt dagegen Senator Radunski, brächten keine nennenswerten Ersparnisse.

Das Internationale Institut für Traditionelle Musik erhielt letzte Woche die Mittel für seine laufenden Kosten nur unter der Bedingung, daß es die eigene Abwicklung vorbereiten müsse. Trotzdem muß das renommierte Institut wahrscheinlich nicht schließen: Jetzt soll es dem Haus der Kulturen der Welt angegliedert werden. Die umstrittene Angliederung der Ernst-Busch- Hochschule an die HdK wird voraussichtlich nicht stattfinden, und auch der Schauspielstudiengang der HdK bleibt bestehen. Statt dessen sollen drei pädagogisch orientierte Studiengänge der HdK zusammengelegt und damit ungefähr der gleiche Betrag eingespart werden. Geplant ist auch die Zusammenlegung der Verwaltungen von drei kleinen Universitäten: der Ernst- Busch-Hochschule, der Musikhochschule Hanns Eisler und der Kunsthochschule Weißensee.