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Will mit Macht Schtonk sein

Aber Ulrich kann sich noch soviel Mühe geben: „Peanuts“, die termingerechte Bearbeitung des Falles Schneider, bleibt trotz Iris Berben und Ulrich Mühe eine Nummer zu klein  ■ Von Jörg Häntzschel

Dr. Schneider, der Mann erst ohne, dann mit, dann wieder ohne Toupet, schenkte Deutschland den schönsten Betrug seit den falschen Hitler-Tagebüchern. Und wo Focus-Interviewern („Hat sich Ihr Hüftschaden verschlechtert?“) die Inspiration ausgeht, fängt guter Komödienstoff an. Was für ein Gesicht macht einer, der der Bank gerade wieder zwei Milliarden abgeschwatzt hat? Wie sieht's bei Schneiders unterm Sofa aus? Das durfte man sich nicht entgehen lassen. Kaum sitzt das Kreditwunder sicher im Frankfurter Gefängnis, kommt der Fall auch schon ins Kino.

Dr. Schuster (Ulrich Mühe), kläglicher Bauunternehmer, ist etwa so kaltblütig wie ein Deutschlehrer. Kredit bekommt so einer nicht, und die Mitgift seiner Frau ist längst im Bauschutt ruinöser Kleinsanierungen versickert. Sie tröstet sich mit Scotch aus Saftgläsern, während die Tochter allmählich verblödet. So wird das nichts, meint Edelnutte Madeleine (Iris Berben) und schleppt ihren Zögling, der immer zu früh kommt, in „Wall Street“. Von Michael Douglas soll er siegen lernen: „Du mußt von deinem Kleinkreditdenken wegkommen.“ Schuster macht große Kinderaugen und tut, wie ihm geheißen. Ein par Korrekturen am äußeren Erscheinungsbild: dicker Benz, teure Brille mit Fensterglas, dunkler Anzug und natürlich die Haare – paßt! Dazu ein paar lausige Garantien auf Bruders Briefpapier, bunte Bilder vom „Projekt“ und natürlich exorbitante Kreditwünsche. Dr. Brinckhoff von der Germanischen Bank ist begeistert. „Das Geld muß raus!“ heißt seine Devise. Er soll es alles haben, der „Mann mit Visionen“, und noch viel mehr, als er verlangt.

Schuster ist der Kleinbürger, der endlich einen Großen spielen darf. Traumwandlerisch sicher reitet er auf dem Glück. Wie ein Kind reibt er sich die Hände, wenn er die Sorgenfalten der Bankleute mit noch 'ner Tarnfirma geglättet hat. In Kolonialistenpose breitet er die Arme über die Wüste Namibias: „I buy everything!“ Denn bald wird Deutschland „Deutschlands größtem Baumeister“ zu klein. Nur diesen einen Altbau muß er noch haben: Als er vor dem Reichstag heulend in die Knie geht und sich schüttelt vor ungestillter Gier, ist der Schelm im Mercedes 600 Opfer der eigenen Spielsucht geworden. Zufrieden sieht man sie tief fallen, den Schneider und seine Frau. Größte Leistung dieses Films, der sich bis kurz vor Schluß stoisch an die wahre Geschichte hält, ist die (bewußte?) Fehlbesetzung der Schneider-Rolle mit dem Softie Ulrich Mühe. So können wir uns wenigstens schaudernd dabei ertappen, wie wir dem Fiesling unsere Sympathien schenken.

Sonst schmeckt der Gebrauchsfilm, der „Schtonk“ sein will, aber eben nicht von Helmut Dietl ist, ungefähr so spannend wie liegengebliebene Erdnüsse von der letzten Party. Nymphomanes Töchterlein, sexverrückte Italiener, Strapse im Büro – die Gags, Sie kennen sie schon. Und Ulrich kann sich noch so viel Mühe geben, der echte Schneider ist als Schneider-Darsteller unschlagbr. „Natürlich!“ antwortete er, als ihn ein Reporter in der Frankfurter Zelle fragte, ob er Beweise für seine Unschuld besitze. Jörg Häntzschel

„Peanuts – Die Bank zahlt alles“, Regie: Carlo Rola. Mit: Ulrich Mühe, Iris Berben, Traugott Buhre, Sonja Kirchberger und vielen anderen mehr. Deutschland 1996, 98 Min.

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