Versackt im „Post-Peking-Blues“?

■ betr.: „K(l)eine Versprechen“, taz vom 12. 3. 96

K(l)ein, aber fein?! – so mag die Devise der taz lauten, unter der sie seit dem Ende der Weltfrauenkonferenz und dem NGO-Forum im vergangenen Jahr ihre Berichterstattung zum Thema Frauenpolitik leistet, doch selbst diesem Anspruch wird sie nicht gerecht:

Was sollte frau anfangen mit dem Kurzbericht aus der Pressekonferenz, der lediglich Claudia Nolte und Rita Süssmuth kommentarlos wiedergibt? Ein einziger eingestreuter Hinweis auf die in Peking verabschiedete Aktionsplattform, aber keinerlei Verweis darauf, daß es sich bei der Veranstaltung, auf der diese beiden Frauen über „Chancengleichheit“ und „Handlungsbedarf“ räsonierten, um die nationale Nachbereitungskonferenz der UN-Weltfrauenkonferenz handelte.

Zugegeben, ein Blick auf das offizielle Programm dieser NVK lehrte eine das Gruseln vor hiesiger, selbsternannter frauenpolitischer „Kompetenz“: Da entblödete sich zum Beispiel ein konservativer Wirtschaftsberater der GUS nicht, dafür zu plädieren, daß Frauenrechte doch erst verwirklicht werden sollten, wenn ein gewisser wirtschaftlicher Wohlstand in diesen Ländern erreicht sei – ein Zeugnis unverschämter Ignoranz gegenüber all der nicht erst seit Peking geführten Debatten um die Zusammenhänge von Frauenunterdrückung und globalen ökonomischen Strukturen! Diese Ignoranz, die dann eben auch der Bundesfrauenministerin und ihren gutgemeinten Forderungen entgegenschlägt, ist jedoch immer noch elementarer Bestandteil des nationalen frauenpolitischen Szenarios und mitbestimmend dafür, ob und was sich bewegt!

Doch es gibt auch noch außerparlamentarischen Gegenwind und Gegenstimmen, die diesen nationalen Nachbereitungsprozeß prägen, für die die taz aber – so scheint es – nach dem Ende des spektakulären China-Rummels kein Sprachrohr mehr sein will: Der Frauenredaktion sind die Forderungen des NRO-Frauenforums keine Zeile wert, die doch selbst bei den vorwiegend kostümierten Teilnehmerinnen Standing ovations hervorriefen. Nicht zuletzt ist es der Zähigkeit des NRO-Frauenforums zuzuschreiben, daß diese Konferenz überhaupt stattgefunden hat. Dabei geht es mir nicht darum, diese oder andere Regierungsveranstaltungen als Dreh- und Angelpunkt für frauenpolitische Mitbestimmungsmöglichkeiten zu verklären, sondern vielmehr darum, sie als einen kritischen, aber diskussionswürdigen Anknüpfungspunkt in der Grundsatzdebatte um Bündnisse, Partizipation an politischer Macht, Autonomie der Bewegung, Gefahr der Vereinnahmung usw. zu verstehen. Und eine Zeitung wie die taz sollte meiner Meinung nach ein Medium dieser so nötigen Auseinandersetzung sein.

Ebenso vermisse ich Berichte über den Nachbereitungsprozeß, zum Beispiel der lateinamerikanischen NGOs, die aus einem äußerst fruchtbaren regionalen Diskussionsprozeß heraus nach Peking gekommen waren. Ob und wie diese Bewegungen nun feministische Akzente zu setzen vermögen, wie sie an der Umsetzung der Aktionsplattform arbeiten, wie sie die in Peking demonstrierte Frauenpower in gesellschaftliche Gestaltungsmacht umsetzen, das könnte der taz doch wenigstens mal einen Hintergrundbericht wert sein! Aber: Gabbert und Co. im „Post-Peking-Blues“ versackt? Birte Rodenberg, Bielefeld