Mit Tempo 30 zum kindgerechten Verkehr

■ Verbände fordern Wende in der Verkehrspolitik und Städteplanung

Berlin (taz) – Der Straßenverkehr ist in Deutschland die häufigste Todesursache für Kinder. Mehr als 400 Kinder sterben pro Jahr, fast 14.000 werden schwer verletzt. Darauf haben gestern der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) hingewiesen. Beide Organisationen fordern eine Wende in der Verkehrspolitik und bei der Stadtplanung. Derzeit seien Deutschlands Straßen die gefährlichsten von Europa. Der Anspruch der Kinder auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit, wie er in der UN-Konvention über die Rechte der Kinder verankert ist, sei nicht erfüllt.

Vor allem das Fehlen eines flächendeckenden Tempo-30-Limits in Ortschaften machen VCD und DKSB für die Lebensgefährdung verantwortlich. „Durch seine Ablehnung von stärkeren Geschwindigkeitsbegrenzungen entwickelt sich Bundesverkehrsminister Wissmann immer mehr zum Sicherheitsrisiko für Kinder“, so Rüdiger Wohlers, der Vorsitzende des VCD. Er wies Wissmanns Aussage zurück, Tempo 30 würde von der Bevölkerung nicht akzeptiert, und führte zur Begründung eine Verkehrsstudie des Reifenherstellers (!) Uniroyal an. Diese ergab, daß 46 Prozent der Befragten ein flächendeckendes Tempolimit in Ortschaften befürworten. Nur 28 Prozent äußerten sich ablehnend.

Weil Kinder nicht in der Lage seien, sich dem Autoverkehr anzupassen, müsse der Verkehr sich ändern, forderte DKSB-Präsident Heinz Hilgers. Derzeit gebe es gerade in Städten zu wenige Freiräume für ungefährdetes Spielen. Auch müsse die lange geplante Änderung des Paragraphen 828 des Bürgerlichen Gesetzbuches endlich umgesetzt werden. Ihm zufolge sind Kinder ab sieben Jahren bei Verkehrsunfällen schuldfähig. Nach Meinung von VCD und DKSB soll die Grenze künftig – wie im Strafrecht – bei 14 Jahren liegen. Gegenwärtig ist das Kind, das auf die Straße läuft, für den Unfall verantwortlich. In Zukunft soll es der Autofahrer sein, der so schnell gefahren ist, daß er nicht mehr rechtzeitig anhalten konnte. Er müsse Rücksicht auf die unberechenbaren Kinder nehmen und laut Straßenverkehrsordnung seine Geschwindigkeit schließlich „der Verkehrssituation anpassen“. Mit der gestrigen Vorstellung eines gemeinsamen Eckpunktepapiers startete der VCD gleichzeitig sein Aktionsjahr für kinderfreundlichen Verkehr unter dem Titel „Platz da! Kinder spielen draußen“. alf