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„Kleine Streiks, das ganze Jahr über“

■ IG-Metall-Sprecherin Dagmar Opoczynski über die uneinigen Arbeitgeber

taz: Bei den Arbeitgebern herrscht Hochstimmung. Durch die Ankündigung von Werner Stumpfe aus dem Präsidium von Gesamtmetall, Verbände ohne Tarifbindung zu gründen, fühlen sich die Unternehmer endlich wieder in der Offensive – zum ersten Mal, seit dem Gewerkschaftsvorstoß für ein Bündnis für Arbeit. Geraten nun die Gewerkschaften in die Defensive?

Dagmar Opoczynski: Nein, im Gegenteil. Herr Stumpfe hat eine Äußerung gemacht, die er im Grunde durch nichts begründen kann. Wir sind ganz verwirrt: Zur gleichen Zeit, zu der Herr Stumpfe das Bündnis für Arbeit für tot erklärt, wird in den verschiedensten Tarifgebieten genau darüber verhandelt. Und zwar durchaus mit Aussicht auf Erfolg; in der Textilindustrie wurde gerade ein solches Bündnis vereinbart.

Wenn es demnächst tatsächlich Arbeitgeberverbände ohne Tarifbindung gibt ...

Ich halte das für illusorisch. Die IG Metall nimmt den Vorstoß Stumpfes zwar sehr ernst, weil er damit die Tarifautonomie und die Tarifpolitik der vergangenen Jahrzehnte in Frage stellt. Wir werden das mit Sicherheit nicht zulassen. Ich vertraue dabei auf die einzelnen Unternehmer, die sehr wohl wissen, was dann auf sie zukommt, nämlich ein Arbeitskampf von Betrieb zu Betrieb.

Also Zustände wie früher in England.

Genau. Dann gibt es kleine Arbeitskämpfe bis hin zum Streik, das ganze Jahr über, überall.

Wie sieht die Strategie der IG Metallaus, die Auflösung der Tarifautonomie zu verhindern?

Wir würden den Unternehmern zunächst einmal die praktischen Auswirkungen vor Augen führen. Das hat es ja durchaus schon gegeben, daß in kleinen bis sehr kleinen Betrieben bis zu sechs Wochen Arbeitskampf stattfand.

Und das reicht, um die Arbeitgeber zur Räson zu bringen?

Ich glaube nicht, daß Stumpfe sich durchsetzen wird. Da würde er ja in seinem eigenen Verband auf Widerstand stoßen bei den weitsichtigeren Unternehmern.

Werner Stumpfe sagte, er habe eine Menge Betriebsräte auf seiner Seite.

In den Betrieben sieht das ganz anders aus. In zig Betrieben wird um ein Bündnis für Arbeit verhandelt. Die Arbeitnehmer sind also zu Zugeständnissen bereit – aber immer im Rahmen des Flächentarifvertrages.

Am Dienstag haben die Arbeitgeberbände Dieter Hundt zum neuen Präsidenten gewählt, der sich ausdrücklich für Flächentarifverträge ausgesprochen hat. Spaltet sich das Arbeitgeberlager?

Da gibt es tatsächlich ein großes Hickhack. Da weiß die linke Hand nicht, was die rechte macht.

Ist die Schwäche der Unternehmer die Stärke der Gewerkschaften?

Nein, es ist schlicht ärgerlich. Es wäre mit einem meinetwegen auch harten, aber verläßlichen Verhandlungspartner sehr viel leichter, vernünftige Tarifpolitik zu machen. Interview: Nicola Liebert

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