Behinderte demonstrieren

■ Jugendliche Behinderte fordern mehr Mitsprache. Als VertreterInnen wollen sie in Betriebs- und Ausbildungsräte

Frankfurt/Main (taz) – Rund 250 behinderte Jugendliche aus Bremen, Hamburg, Berlin und Neckargemünd und Vertreter der Gewerkschaft ÖTV haben gestern in Kassel gegen die bisherige Rechtsprechung des 7. Senats am Bundesarbeitsgericht demonstriert. Im Rahmen einer bundesweiten Kampagne der Gewerkschaft verlangen die in Rehabilitations- und Ausbildungszentren lernenden jungen Behinderten die volle Anerkennung als ArbeitnehmerInnen.

Ihnen geht es vor allem um die Teilnahme an Betriebsrats- und Jugendvertretungswahlen in ihren Ausbildungsbetrieben und -einrichtungen. Dieses Recht, so Rüdiger Klemm von der Hauptverwaltung der ÖTV in Stuttgart, werde den Betroffenen „ohne erkennbaren Grund“ vom Bundesarbeitsgericht seit 1992 nicht mehr zugestanden. Klemm: „Bis Ende der achtziger Jahre war es unstrittig, daß auch auszubildende Rehabilitanden gleichberechtigte Arbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten sind.“

Das Bundesarbeitsgericht vertrat hingegen in seinem gestrigen Urteil erneut die Auffassung, daß Auszubildende eines Betriebes nur dann Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes seien, wenn sie tatsächlich für eine Arbeit in ihrem Lehrbetrieb ausgebildet würden. In Rehabilitations- oder Ausbildungszentren für Behinderte würden die dort Lernenden aber nicht für eine Tätigkeit in den Zentren ausgebildet, sondern bekämen Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt, um sich danach auf dem „freien Arbeitsmarkt“ behaupten zu können.

Für Klemm tangiert diese „spitzfindige Auslegung“ des Bundesarbeitsgerichts den Artikel 3 Grundgesetz (Gleichheit vor dem Gesetz). Und auch deshalb hat die ÖTV den KlägerInnen aus diversen Rehabilitationseinrichtungen Rechtsschutz gewährt. Klaus-Peter Klingelschmitt