Prozeßauftakt unter Polizeischutz

Vor dem Hamburger Oberlandesgericht werden drei KurdInnen beschuldigt, die Verantwortlichen in der kurdischen Arbeiterpartei PKK für Überfälle auf Parteidissidenten zu sein  ■ Aus Hamburg Marco Carini

Begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot, dem Verbot zweier Demonstrationen und zahlreichen Pannen, begann am Mittwoch vor dem Hamburger Oberlandesgericht der Prozeß gegen drei KurdInnen. Ihnen wird von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, als führende Funktionäre einer PKK-Unterorganisation für gewalttätige Bestrafungsaktionen an Parteiabweichlern verantwortlich zu sein.

Während es mehreren vor dem Strafjustizgebäude versammelten Polizeihundertschaften gelang, die verbotene Gegenkundgebung im Keim zu ersticken, mußte die Verhandlung bereits vor der Verlesung der Anklage des öfteren unterbrochen werden. Erst streikte die Lautsprecheranlage, dann ein für die Silmultanübersetzung notwendiger Kopfhörer und schließlich auch noch einer der Dolmetscher: Er sah sich nicht in der Lage, in der „spannungsgeladenen Atmosphäre“ seinem Job nachzugehen.

Die 98seitige Anklageschrift der Karlsruher Bundesanwaltschaft weist den drei Angeschuldigten – die im Dezember 1994 in Bremen festgenommen worden waren – unterschiedliche Rollen „in einer terroristischen Vereinigung innerhalb der Führungsstrukturen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ zu: Die Angeklagte Azime Y. wird der Rädelsführerschaft, die Kurdin Meryem Y. der Mitgliedschaft und Sait B. der Unterstützung der PKK-Teilorganisation „Europäische Frontzentrale“ beschuldigt.

Diese Untergruppe der seit 1993 in Deutschland verbotenen PKK soll für die als „Bestrafung von Parteiabweichlern“ gewerteten Überfälle auf Kurden in Bremen und Hamburg im Oktober 1994 verantwortlich sein, bei denen eines der Opfer schwer verletzt wurde. Den Angeklagten wird nun versuchter Mord – AzimeY. sogar in zwei Fällen – zur Last gelegt. Dabei wird in der Anklageschrift nicht behauptet, daß die Angeklagten bei den Überfällen dabei gewesen sind.

Indem die Angeklagten nach dem umstrittenen Strafrechtsparagraphen 129a einer „terroristischen Vereinigung“ zugeordnet werden, können sie schon aufgrund dieser Mitgliedschaft für Straftaten verantwortlich gemacht werden, an denen ihnen keine direkte Beteiligung nachgewiesen werden kann. Das auf 30 Verhandlungstage angesetzte Verfahren, in dem die Bundesanwälte 73 Zeugen präsentieren wollen, steht dabei in einer Reihe von weiteren Verfahren nach Paragraph 129a gegen insgesammt 20 KurdInnen, von denen das erste im September 1995 in Frankfurt begann.

Weitere Prozesse werden bald in Stuttgart, Düsseldorf und München folgen. Die „Prozeßgruppe Bremen“ wertet die Verfahren als Höhepunkt „der „Kriminalisierung von KurdInnen in Deutschland“.