Die Häufung dringender Zwänge

■ Senatorin Christina Weiss zu den vehementen Aueinandersetzungen um die Kulturbehörde

taz: Es hat in den letzten Wochen von allen Seiten viel herbe Kritik an der Kulturbehörde gegeben. Stichwort: Kunstinsel, Bücherhallen, Kohn-Vertrag. Gibt es von Ihrer Seite rückblickend Anlaß zur Selbstkritik?

Christina Weiss: Bei einer solchen Summierung von Problemen gibt es selbstverständlich Anlaß zur Selbstkritik. Eigentlich darf es im normalen politischen Ablauf nicht passieren, daß so viele Schwierigkeiten gleichzeitig auftreten. Im Normalfall ist es ja auch möglich, das zu steuern, indem man einfach noch mehrere Gesprächsrunden einbaut, bevor ein Problem akut wird. Da war ich durch Außeneinflüsse aber zu stark unter Druck.

Zum Beispiel bei den Bücherhallen: Da standen wir unter dem dringenden Zwang zu reagieren, um das Defizit abzubauen, und es gab eine Aufforderung des Verwaltungs rates an die Geschäftsführung, ein Sofortprogramm vorzulegen. Doch bevor wir über dieses Sofortprogramm redeten, hätten wir viele vorherige, auch öffentliche Gesprächsrunden absolvieren sollen. Dieses große Engagement der Bürger für die Bücherhallen ist uns aber auch erst klar geworden, als die Proteste sich artikulierten.

Haben die Proteste denn etwas bewirkt?

Dieser vehemente Bürgerwille gibt zu denken und das wird unsere künftigen Entscheidungen auch wesentlich beeinflußen. Wobei ich sicherlich sagen muß: Wir werden nicht in der Lage sein, alle 54 Bücherhallen voll in der bisherigen Weise zu betreiben.

Ist der Beschluß, die Schließungen auszusetzten, um Alternativkonzepte zu erarbeiten, wirklich eine Chance, daß das vorher beschlossene Resultat abgewendet werden kann?

Es ist eine ernsthafte Chance, daß noch etwas anderes passiert. Aber daß etwas sehr prinzipieller Art passieren muß, ist allen Beteiligten klar.

Wenn wir noch einmal auf eine etwas allgemeinere Ebene zurücckehren, dann ist meine Beobachtung in den letzten Jahren, daß die Kulturbehörde, personifiziert durch Sie, öfters ein gewisses diplomatisches Ungeschick an den Tag legt. Da legt man sich mit der ganzen Oper an, wenn man eine neue Intendanz beruft, da stellt sich selbst die SPD-Fraktion gegen die Kultursenatorin eines SPD-Senats, wenn es um die Finanzierung der Kunstinsel geht, und das reicht bis zurück an die Anfänge ihrer Amtszeit, wo gleich die erste Personalentscheidung für die Kammerspiele zu großem Ärger führte. Gibt es da in Ihrer Behörde ein strukturelles Problem, etwa mangelnde Transparenz und Beteiligung?

Im Verhältnis zur Kulturszene gibt es das strukturelle Problem, daß man keinen Vorschlag machen kann, der alle befriedigt. Personalfragen bei Kulturinstitutionen werden niemals unstrittig sein.

Aber es ging doch stets vorrangig um die Beteiligung derjenigen, die gehört werden müßten. Im Fall des neuen GMD Ingo Metzmacher wurde das Orchester nicht gefragt, im Fall der Kunstinsel kein Gespräch mit der SPD-Fraktion gesucht.

Ganz speziell die Kunstinsel betreffend ist da tatsächlich etwas falsch gelaufen. Wir haben zwar mit den Kulturpolitikern alles in relativer Offenheit besprochen, aber wir haben die Probleme nicht in die parlamentarische Breite gebracht. Das ist ganz bestimmt ein Fehler gewesen.

Wir hatten aber auch, in Abstimmung mit den Kulturpolitikern der Fraktionen, immer die Ansage, wir müssen es schaffen, die Teuerung unter 10 Prozent zu halten, was ja schließlich mit viel Rechnerei und Abstrichen auch gelungen ist. Und weil ich es als absolut notwendig ansah, in diesem Feld zu bleiben, habe ich die Dringlichkeit der Debatte nicht richtig wahrnehmen können. Aber ich habe daraus gelernt, daß es wichtig ist, nicht nur die Fachleute zu gewinnen.

Der Hauptvorwurf war ja, die Kulturbehörde hätte die wirklichen Zahlen immer im Unklaren gelassen, um das Projekt genehmigt zu bekommen.

Bei solchen Bauvorhaben ist es sicherlich immer so, daß jeder ahnt, das könnte teurer werden. Aber darüber diskutieren kann man erst, wenn geprüfte Zahlen vorliegen. Und ich habe bis zuletzt immer wieder darum gebeten, alle möglichen Veränderungen zu prüfen, um die Kosten zu senken. Aber es ist eine prinzipielle Frage bei öffentlichen Bauvorhaben, nicht nur in der Kultur, ob man sie in Zukunft völlig anders steuern muß. Wir werden uns da an privatwirtschaftlichen Strukturen orientieren müssen.

Dort sind 10prozentige Kostensteigerungen allerdings das normalste der Welt.

Das war auch der Grund, warum ich die Emotionslage falsch eingeschätzt habe. Wenn ich die Psychologie ins Zentrum meiner Betrachtungen gestellt hätte, dann hätte ich mich wahrscheinlich seit September anders verhalten.

Besorgniserregend ist es aber doch, daß in allen drei vorliegenden Fällen die durchaus stichhaltigen Argumente weder von den Parlamentarieren noch von der Hamburger Presse aufgenommen wurden. Haben Sie Ihre Politik vielleicht einfach schlecht verkauft?

Stimmt, das ist in allen drei Fällen nicht richtig geglückt. Bei Personalentscheidungen glaube ich allerdings prinzipiell nicht, daß das friedlicher abgeht.

Aber wäre hier nicht gerade durch öffentliche Ausschreibung der Stellen ein höheres Maß an Transparenz gewährleistet?

Das ist richtig. Ich glaube, da befinden wir uns gerade an einer Nahtstelle. Man hat das früher nicht so gemacht. Bei Intendanten sowieso nie, aber auch das wäre eine Überlegung für die Zukunft. Warum eigentlich nicht? Gerade bei einem kaufmännischen Geschäftsführer aktzeptiere ich es aber voll und ganz, daß man solche Stellen in Zukunft prinzipiell ausschreiben sollte. Das räume ich auch richtig als Versäumnis ein.

Um bei dem konkreten Fall zu bleiben: Was nach dem Ende der Affäre Kohn nach wie vor unklar bleibt ist, worin der Vertrauensbruch eigentlich bestanden hat, wo Kohn bis zuletzt beteuert hat, weder gegenüber Ihnen noch gegenüber dem Aufsichtsrat gelogen zu haben? Hat der Aufsichtsrat dann einfach nicht verstanden, was er gesagt hat, oder hat er tatsächlich nicht die volle Wahrheit gesagt?

Entscheidend ist letztlich, daß für den Aufsichtsrat und die Kulturbehörde fest stand, daß Herr Kohn, nach allem was geschehen war, eine Belastung für die Oper sein würde. Deshalb haben wir ja auch reagiert und den Aufsichtsrat einberufen.

Fragen: Till Briegleb

Der zweite Teil des Gesprächs wird sich morgen mit den Zukunfts aussichten befassen.