Mit der Angestelltenkammer auf Du und Du: „Nur verarscht“
■ Belegschaft fordert Vorstands-Rücktritt
Die Belegschaft der Angestelltenkammer probt den Aufstand. Als gestern nachmittag der Kammer-Vorstand zur Krisensitzung eintrudelte, da hatten ihnen die Beschäftigten schon die Stühle vor die Tür gestellt. Eine Sitzung im Freien, die gut vorbereiteten Papiere lagen schon auf dem Tisch: „Ich erkläre mit sofortiger Wirkung meinen Rücktritt aus dem Vorstand der Angestelltenkammer Bremen.“ Doch die Vordrucke blieben erstmal blank. Die sieben VorständlerInnen liefen durch das Spalier zu ihrer Diskussion auf der Kammer-Chefetage, bis Redaktionsschluß ohne Ergebnis. Kammer-Präsidentin Irmtrud Gläser: „Wir sind uns der hohen Erwartungen bewußt. Wir diskutieren über alles.“
„Über alles“ bei der Kammer diskutiert hatte am Morgen schon die Bürgerschaft, allerdings ohne konkretes Resultat. Die Grünen hatten die Zusammenlegung mit der Arbeiterkammer und tiefgreifende innere Reformen beantragt. Doch der Antrag ist von der Mehrheit der Großen Koalition versenkt worden. Die steckte ganz offensichtlich in einer Klemme. Auf der einen Seite fordert die SPD schon lange die Zusammenlegung der Kammern, auf der anderen machte Thomas Röwekamp für die CDU unmißverständlich klar, daß seine Partei und Fraktion im Prinzip gegen das Kammerwesen auf der Basis einer Zwangsmitgliedschaft ist: „Eine Zusammenlegung ist keine Lösung.“ Die Malaise in den Worten des Grünen-Abgeordneten Hermann Kuhn: „Es wird in Wirklichkeit nichts passieren.“ Die SPD wolle den Einfluß des DGB auf die Kammern sichern, die CDU wolle die Kammern insgesamt nicht, weil die ihr nahestehende DAG keinen Einfluß habe. Die handele nach dem Motto: „Wenn ich nicht mitspielen kann, dann mache ich das Spielzeug kaputt.“
Im Wirtschaftsressort wird unterdessen an einer Novellierung des Kammergesetzes gearbeitet. „Ich bin kein Freund von Eingriffen“, sagte Wirtschaftssenator Hartmut Perschau. „Die Selbstbestimmung ist ein schutzwürdiges Gut.“ Entsprechend vorsichtig sind die angepeilten Reformen, die stärkste: Bei den Kammerwahlen sollen auch gewerkschaftsunabhängige Listen zugelassen werden.
Das alles bringt die Beschäftigten der Kammer nicht aus der Bredoullie. Die haben Angst, daß über die Dauerkrise der Kammer-Führung das System der Zwangsbeiträge der Bremer Angestellten und damit die Kammer insgesamt bachab geht. „Die Cliquenwirtschaft kann nicht mehr so weitergehen“, ereiferte sich gestern Sonja Henger vom Personalrat. DAG und DGB sollten sich zur Rettung der Kammer endlich zusammentun. J.G.
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