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Kein „Tal der Ahnungslosen“

■ Vulkan-Krise: Opposition wirft Senat Untätigkeit vor

Die Bremer Einheitsfront der Parteien in der Vulkan-Krise löst sich langsam auf. Das ist die Erkenntnis aus der Vulkan-Debatte, die gestern in der Bürgerschaft stattgefunden hat. Insbesondere die Grünen haben den Schulterschluß verlassen – weniger bei der Frage nach den Perspektiven, wie so viele Arbeitsplätze wie möglich gehalten werden könnten, als vielmehr in der Frage nach den Verantwortlichkeiten für den Umgang mit dem drohenden Zusammenbruch des Verbundes. Der Grünen-Sprecher Ralf Fücks: „Hier kann niemand behaupten, er hätte im Tal der Ahnungslosen gesessen.“

Seit August letzten Jahres, so Fücks, habe der Senat über die dramatische Lage des Konzerns Bescheid gewußt. Da habe in der Bremer Filiale der „C&L Deutsche Revision“ eine Sitzung über die akuten Ertrags- und Liquiditätsprobleme des Vulkan stattgefunden. Resultat: Der Konzern sei unterfinanziert, kurzfristig klaffe eine Liquiditätslücke von 300 Millionen Mark. Nach dem Protokoll der Sitzung, so Fücks, habe auch ein Vertreter des Senats teilgenommen. Zwischenruf Finanzsenator Ulrich Nölle: „Ich war nicht dabei!“ So habe es viele Gelegenheiten gegeben, sich auf die drohende Katastrophe einzustellen, monierte der Grüne. In den Monaten danach sei das Volumen der Bremer Bürgschaften an den Vulkan zwar von 450 Millionen auf über eine Milliarde ausgedehnt worden, nur ein Auffangkonzept sei immer noch nicht in Sicht. Im Senat, so Fücks, herrsche „völlige Konzeptionslosigkeit.“

Das mochte die Koalition nicht auf sich sitzen lassen. „Wir sitzen alle in einem Boot“, konterte Detmar Leo für die SPD. Alle Fraktionen hätten in der Vergangenheit die Politik des Bremer Senats gegenüber dem Vulkan mitgetragen. Über die konkreten Vorwürfe mochte niemand diskutieren. Es gehe darum, „schrittweise das Desaster abzuarbeiten“, so Peter Sörgel (SPD), und „starke industrielle Partner“ für einen Unterweserverbund aus STN und Bremer Werften zu finden, so Sybille Winther von der CDU.

So sah dann auch der Koalitionsantrag aus, den SPD und CDU einem Dringlichkeitsantrag der Grünen hinterhergeschoben hatten: Vergleichsverwalter Wellensiek solle in enger Zusammenarbeit mit dem Senat, den Banken, der Unternehmensführung und der Belegschaft eine „Unterweserlösung“ erarbeiten, wünscht sich die Bürgerschaft einstimmig. Und der SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine, auf Stippvisite beim Vulkan in Vegesack, assistierte: „Ich unterstütze die Forderung der norddeutschen Länder, daß sich der Bund mit 50 Prozent an der notwendigen Aufstockung der Wettbewerbshilfen für die Werften beteiligt.“ J.G.

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