Berufsverbot für linken Polizisten

■ Innenverwaltung verweigert Ex-PDS-Stadtrat die Rückkehr in Polizeidienst. „Verfassungstreue“ angezweifelt

Die Innenverwaltung hat die in den siebziger Jahren weitverbreitete Praxis der Berufsverbote wiederentdeckt. Der ehemalige DDR-Volkspolizist und Weißenseer PDS-Stadtrat für Gesundheit und Umweltschutz, Olaf Albrecht, darf nicht in den Polizeidienst zurückkehren. Es bestünden, so die Behörde, „erhebliche Zweifel an seiner Verfassungstreue“.

Das „Vergehen“ des 39jährigen: Im Sommer 1994 hatte Albrecht im PDS-Bezirksblättchen „Weißensee transparent“ einen Aufsatz unter der Überschrift „Gesundheits- und Pflegesystem der BRD – wohin?“ veröffentlicht. Darin kommt er zu dem Schluß, daß seine „Tagesaufgabe“ nur darin bestehen könne, „dazu beizutragen, das jetzige System (...) an seine Entwicklungsgrenzen zu treiben“ und „immer wieder deutlich aufzuzeigen, daß Gesetze heute nicht den Interessen der Mehrheit der Menschen dienen, sondern der Schaffung bestmöglicher Verwertungsbedingungen des Kapitals“. Albrecht beklagt weiter, daß grundlegende Veränderungen nicht möglich seien: „Auch wenn ich subjektiv diesen unmenschlichen monopolkapitalistischen Staat ablehne, ist in der Praxis (...) maximal linke sozialdemokratische Politik umsetzbar.“ Albrecht setzt seine Hoffnung auf die PDS, die „objektiv die Chance hätte, die Lücke demokratisch-sozialistischer Politik (...) konsequent zu verwirklichen, zumal die Mitgliedschaft der PDS mit einem Restbestand treuer und aufopferungsvoller Kämpfer der SED (...) alle politischen Kurswechsel der Parteiführung mehrheitlich mitvollziehen wird“.

Nachdem diese Äußerungen im Herbst 1994 zur Abwahl Albrechts als Stadtrat geführt hat, verbaut ihm seine Gesellschaftskritik nun auch die Rückkehr in die Polizei. Der ehemalige Absolvent der Fachschule des Ministeriums des Inneren, der 1990 mit „untergeordneten Aufgaben“ in den Dienst der Berliner Polizei übernommen worden war, stellte im Mai letzten Jahres den Antrag auf Wiederaufnahme in die Reihen der Polizei. Nachdem der Polizeipräsident seinen Antrag mit der Begründung der Nichteinhaltung der Antragsfrist abgelehnt hatte, legte Albrecht im Juni letzten Jahres Widerspruch ein.

Drei Monate später wurde der Fall wegen „der Komplexität“ der Senatsverwaltung für Inneres übergeben. Ende Januar 1996 schließlich reagierte die Innenverwaltung und lehnte Albrechts Widerspruch als unbegründet ab. In einem fünfseitigen Schreiben wird ihm vorgeworfen, daß die „Kernaussagen“ seines Artikels offenbarten, daß seine „Verhaltensmaximen auf den Grundsätzen marxistischer Dialektik beruhen“. Unter Bemühung Marxscher Thesen wird Albrecht unterstellt, „die kulminierenden, konfligierenden antagonistischen Widersprüche durch einen revolutionären Akt zu nutzen, um (...) zu dem durch die Diktatur des Proletariats gekennzeichneten Sozialismus zu gelangen“. Auf eine Stellungnahme Albrechts reagierte die Innenverwaltung im März mit einem weiteren Schreiben, das ihm erneut eine „verfassungsfeindliche Einstellung“ gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ bescheinigt. Der Sprecher der Innenverwaltung, Thomas Raabe, bezeichnete Albrechts Ablehnung als „Preis seiner Überzeugung“.

Der frühere PDS-Fraktionsvorsitzende Peter-Rudolf Zotl beklagte gestern, daß das „Infragestellen von Denken“ die „geistige Freiheit“ gefährde. Albrecht, der im letzten Jahr aus der PDS ausgetreten ist, weil sie zu „etabliert“ sei, hält an seinen Aussagen fest. „Solange die Polizei behauptet, Teil eines gesamtpolitischen Gefüges zu sein“, müsse Kritik möglich sein. Der verhinderte Polizist, der derzeit als Kurierfahrer arbeitet, will vor dem Verwaltungsgericht klagen. Barbara Bollwahn