Tüüüür zuuuu! Von Klaudia Brunst

Wir hatten gewettet, daß es nicht klappen würde. Daß heißt, ich hatte erklärt, daß so eine Schnapsidee nicht nur jeder sinnvollen Grundlage entbehre, sondern mit Sicherheit auch an der mangelnden Intelligenz der Hauptperson scheitern würde. Während meine Freundin natürlich der Meinung war, sie kriege das schon hin, ich solle nur mal sehen.

Sie regt sich nämlich schon den ganzen Winter darüber auf, daß unser Hund immer die Tür aufläßt, wenn er das Wohnzimmer betritt. „Ja, sind wir denn hier in der U-Bahn?“ schnauzt sie ihn Abend für Abend an. Dabei kann das Tier letztlich gar nichts dafür. Denn das Problem mit der Tür besteht darin, daß sie, wenn man sie einmal leicht aufstößt, gleich sperrangelweit aufspringt. Gründerzeitaltbau eben. „Es muß diesem Köter doch irgendwie beizubringen sein, die Tür wieder hinter sich zuzuschubsen“, meinte meine Freundin neulich also, als wir etwas vorzeitig den Frühling eingeläutet und das Kohlentragen eingestellt hatten. Entnervt wickelte sie sich aus ihrer Wolldecke, stand auf und redete an das arme Tier hingewendet: „Guck mal“, nahm seine Pfote in die Hand und drückte sie demonstrativ gegen die Tür. „So geht das! Tüüür zuuuu! Hörst du: Tüüür zuuu!“ „Komm doch zurück aufs Sofa“, versuchte ich halbherzig, den pädagogischen Eifer meiner Freundin zu bremsen, „das wird ja sowieso nix.“ Im ZDF lief nämlich gerade „girl friends“ und das gucke ich total gerne – und vor allem gern ungestört. Aber wenn sich meine Freundin etwas in den Kopf gesetzt hat, ist sie nicht zu bremsen. Ungefähr den ganzen Abend lang pädagogisierte sie auf den Hund ein, verbannte ihn immer wieder vor die Tür, rief ihn wieder rein, nahm seine Pfote, sagte dabei „Tüüür zuuu!“ und machte die Tür zu. Das arme Tier wedelte währenddessen brav mit dem Schwanz, verstand aber natürlich trotzdem nur Bahnhof. Schließlich traute er sich gar nicht mehr rein. Ein Teilerfolg, wie ich zugeben mußte. Aber auch irgendwie traurig.

Als am nächsten Abend unsere Nachbarin vorbeischaute, um nachzufragen, ob wir etwa neuerdings Atemstimm- und Sprechübungen abhielten – sie habe da gestern immer so seltsame Geräusche durch die Wand gehört – spannte meine Freundin unseren Gast natürlich gleich ein. Während sie im Wohnzimmer mit einer Frolic-Tüte bewaffnet Aufstellung nahm, zerrte unsere Nachbarin den Hund in den Flur, bis meine Freundin das Startsignal gab. Und die in Aussicht gestellte Zusatzleckerei verfehlte ihre Wirkung tatsächlich nicht: Munter rannte der Hund ins Wohnzimmer, hob seine Pfote und starrte erwartungsfroh erst auf die Frolic-Packung und dann auf die Tür. „Ein Fortschritt“, wie meine Freundin fand, „jetzt müssen wir nur noch die Reihenfolge in den Griff kriegen.“

Schließlich war die Frolic-Tüte leer und der Hund immerhin in der Lage, seine Pfote kurz gegen die Tür zu lehnen. Gestern hat er uns dann alle wirklich in Erstaunen versetzt: Wir hatten unsere Nachbarin auf dem Treppenabsatz abgefangen, um sie zu fragen, wer bei unserer Doppelkopfrunde diesmal für die Getränke zuständig sei. „Na“, meinte sie mit Blick auf den Hund, „klappt's denn inzwischen mit dem Tüüür zuuu?“ Und da klappte es. Jetzt müssen wir ihm nur noch beibringen, auch den Haustürschlüssel einzustecken.