■ Querspalte: Preis der Liebe
Ostern naht, steigen wir hinauf auf den Dachboden und öffnen die alte Truhe. Holen wir unsere Konfirmandenbibel heraus, schütteln den Staub ab und lesen auf Seite 226 weiter, wo wir vor Jahren stehengeblieben sind: der erste Korintherbrief, Kapitel 13.
Jaja, die Liebe, „sie höret nimmer auf“, steht da, 2.000 Jahre alt und doch so aktuell, Herr Schröder! Die Ehe, das wissen wir inzwischen, „höret dagegen öfters auf“, so etwa bei einem Drittel aller Verheirateten, und, auch das wissen wir (woher eigentlich?), die Tendenz ist weiter steigend.
Das wirft Fragen auf, die so komplex sind, daß wir sie an dieser Stelle nur andeutungsweise beantworten können. Warum Eberhardt der Jüngere von Württemberg 1467 die Elisabeth von Brandenburg geheiratet hat, ist ja bei deren damaligem Grundbesitz noch einigermaßen nachvollziehbar. Warum jedoch 1996 der arme Herr Meier die arme Frau Müller heiratet, bleibt indes nebulös.
Der Grund, weshalb heute noch immer zwei mittellose Menschen vor ein Standesamt treten und sich ewige Treue schwören, läßt sich nicht mehr erkennen und allenfalls damit erklären, daß es Eberhardt und Elisabeth damals auch schon taten.
Dabei passiert Grundlegendes: Indem wir unsere Geliebten zu Ehemännern und Ehefrauen machen, schaffen wir Platz für neue Geliebte. Dies wiederum führt erst zu heftigen Auseinandersetzungen in der Ehe (laut der Psychologin Brigitte Lämmle im Stern dieser Woche dauert das genau neun Monate: „Es gibt Szenen, Tränen, Privatdetektive“), dann zur Ehescheidung und schließlich zu einer schönen Fernsehsendung („Ehen vor Gericht“, „Bitte, verzeih mir“, „Meine 25 Liebhaber“). Insofern hat alles schon seinen Sinn.
Bleibt noch das Rätsel, warum es die 50jährigen Männer kurz vor der Silberhochzeit immer zu 20 Jahre jüngeren Frauen zieht? Nein, da komm' ich nicht drauf. Wirklich nicht. Korinther, hilf! (Kapitel 16, Vers 22). Philipp Maußhardt
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