Taschenrechner zeigen die Große Koalition

■ Neonazis als Wahlkampfhelfer der „Republikaner“ in Baden-Württemberg

Stuttgart (taz) – Drei Tage vor den Landtagswahlen gehen in Stuttgart die kleinen Batterien aus. Der Grund: Die Parteistrategen kalkulieren mit ihren Taschenrechnern alle möglichen Varianten durch. Was dabei soviel Energie kostet, ist das schwer einschätzbare Abschneiden der „Republikaner“, die immerhin als drittstärkste politische Kraft mit 15 Abgeordneten im baden-württembergischen Landtag sitzen. Schaffen sie es wieder? Ihr Ergebnis vor vier Jahren betrug knapp elf Prozent. In allen Meinungsumfragen liegen sie dagegen zur Zeit bei nur vier Prozent. Doch niemand traut diesem Frieden.

Wenn es etwas gab, wodurch die Abgeordneten der „Republikaner“ in vier Landtagsjahren aufgefallen sind, dann durch ihre Sitzfleischdisziplin. Selbst bei schlecht besuchten Parlamentssitzungen war die Fraktion der Reps meist vollständig angetreten. Die geistige Präsenz war allerdings kaum wahrzunehmen. Ihre Redebeiträge blieben dumpf, ihre Anfragen humpf und ihr Abstimmungsverhalten mumpf. Nur dreimal innerhalb von vier Jahren hatten ihre Stimmen Gewicht: einmal zusammen mit CDU und FDP, um ein Verbot des Doppelmandats von Bürgermeisteramt und Landtagssitz zu verhindern, das andere Mal zusammen mit SPD und Grünen zum Pflegeversicherungsgesetz. Am peinlichsten aber war für CDU und FDP, daß nur mit Hilfe der REPs die Ausstellung über die „Verbrechen der Wehrmacht“ im Landtag verhindert werden konnte.

Ihre Unauffälligkeit lag nicht nur daran, daß die Kameramänner immer auf den Ausknopf drückten, sobald Reps das Wort ergriffen. Das ärgerte sie allerdings so, daß sie eben eine Broschüre drucken ließen mit dem weinerlichen Titel: „Ignoranz, Arroganz und Menschenverachtung“. In ihr versuchten sie zu beweisen, daß man sie zu Unrecht als „Biedermänner und Brandstifter“ verunglimpfe. Dummerweise kam wenige Tage vor Erscheinen der Broschüre ans Tageslicht, daß junge Neonazis im Wahlkampf den „Republikanern“ zur Seite sprangen.

Da sei ihnen „eine Falle gestellt“ worden, erklärte der Spitzenkandidat der Reps und Schönhuber-Nachfolger Rolf Schlierer hastig. Der Rechtsanwalt und Arzt mit dem Konfirmantenblick versucht, seit er 1994 zum Bundesvorsitzenden gewählt wurde, das rechtsextreme Image seiner Partei in „nur ein bißle rechts“ aufzuschönern. Da kam ihm gerade zupaß, daß ausgerechnet Dieter Spöri (SPD) mit der Forderung nach Zuzugsbegrenzung von Aussiedlern ein typisches Rep-Thema aufgriff. Für die SPD möglicherweise ein Eigentor, da diejenigen Wähler, die in deren Zuwanderung ein Problem sehen, die Lösungskompetenz am wenigsten bei den Sozis suchen.

Hinzu kommt, daß auch die Kurden-Krawalle den Reps Auftrieb geben könnten. Somit gehen inzwischen alle Parteien hinter vorgehaltener Hand davon aus, daß die Rechten am kommenden Sonntag wieder im Stuttgarter Landtag sitzen. Auch die aktuellen Umfragen lassen diesen Schluß zu. Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim: „Die Dunkelziffer bei radikalen Parteien liegt immer besonders hoch, weil sich deren Wähler nicht offen dazu bekennen.“ So wurden die Reps vor vier Jahren vom Allensbacher Institut kurz vor der Wahl – genau wie heute – mit 4,5 Prozent gehandelt. Aber sie errangen 10,9 Prozent. Soviel traut ihnen heute keiner zu, für den Einzug in den Landtag aber könnte es reichen. Dann aber müssen die Taschenrechner wieder herhalten. Und was immer man auch eintippt, am Ende steht in diesem Fall wieder eine Neuauflage der Großen Koalition. Philipp Maußhardt