Sozial töricht – ökonomisch dumm

■ Rudolf Hickel zum Arbeitgeber-Streit: Lohnkosten zu senken ohne Arbeitsplätze zu schaffen schadet der Wirtschaft insgesamt

Nachdem der künftige Gesamtmetall-Präsident Werner Stumpfe das „Bündnis für Arbeit“ überraschend klar aufgekündigt hatte, setzte Schadensbegrenzung ein. Der neue deutsche Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt erklärte seine Bereitschaft – allerdings in sprachlich auffälliger Abgrenzung –, das „Bündnis für Wettbewerb“ fortzusetzen. Dankenswerterweise ist er so frei, das einzig akzeptable Ergebnis vorzugeben: Wie auch immer in der Triade von Kapital, Arbeit und Kabinett diskutiert wird, die Lohnkosten müssen um 20 Prozent gesenkt werden. Von der Gegenleistung, die die Gewerkschaften zu Recht reklamieren, ist an keiner Stelle die Rede. Zur Erinnerung: Die IG Metall wollte sich nur dann mit einem Lohnzuwachs im Ausmaß der Inflationsrate begnügen, wenn das dadurch freie Geld zur Finanzierung von Arbeitsplätzen genutzt wird. Arbeitgeberverbände wollten und wollen jedoch diesen Deal nicht. Aus dieser Sicht ist das „Bündnis für Arbeit“ eine Mogelpackung. Massiver Lohnabbau zugunsten der Gewinnwirtschaft heißt die alt-neue Devise. Die Auswirkungen auf die Beschäftigung bleiben dem marktwirtschaftlichen Selbstlauf überlassen. Und da lehrt die Erfahrung unerbittlich: Lohnzurückhaltung stärkt unmittelbar die Gewinne, die für arbeitsplatzvernichtende Rationalisierung und/oder im Ausland lukrativ ausgegeben werden.

Der (scheinbare) Streit im Arbeitgeberlager gilt nur der Wahl der Taktik. Die Gruppierung um Hundt hofft, ihr Ziel der Lohnkostensenkung in der Kanzlerrunde durchsetzen zu können. Stumpfe von Gesamtmetall ist (hoffentlich zu Recht) skeptisch, diese knallharte Umverteilung zugunsten der Gewinnwirtschaft unter der Zustimmung der Gewerkschaften verwirklichen zu können. Deshalb zielt sein Vorschlag, Unternehmensverbände ohne Tarifbindung zu gründen, gleich auf das Herz gewerkschaftlicher Politik. Ohne tarifgebundene Arbeitgeber gibt es keine Flächentarife. Was aber vor allem zählt: Gewerkschaften werden überflüssig, wenn die Gegenseite in Tarifverhandlungen abhanden käme. Stumpfe weiß mit seinen Forderungen die meisten Mitgliedsunternehmen hinter sich. Jenseits des Arbeitsbündnisses bilden hier auch Kabinett und Kapital wieder die altbekannte Front. Schließlich fordert die Regierung seit Jahren die Aufdröselung des Flächentarifvertrags.

Diese Politik ist kurzsichtig, ökonomisch dumm und sozial töricht. Flächentarifverträge schaffen innerhalb jeder einzelnen Branche einen Mindestschutz. International vergleichende Untersuchungen belegen, daß dadurch die innerbetriebliche Stabilität und Motivation der Beschäftigten gestärkt wird. Verhindert wird aber auch ein ruinöser Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmen um Arbeitskräfte. Sollten sich die Unternehmerverbände mit ihrem Schwur auf Marktentfesselung durchsetzen, dann wird das „Bündnis für Arbeit“ nicht gebraucht. Gewerkschaften und Arbeitslose müssen sich auf ihre eigenen Kräfte konzentrieren.

Rudolf Hickel ist Professor an der Uni Bremen und Mitglied der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“