Eine Frage der übertretenen Anstandsregel

■ Rocko Schamoni, eine Künstler, der immer sein Publikum sucht, jetzt auch als Dichter

Etwas zu wieselig gingen die Kellner zwischen den Reihen der halb unschlüssigen und halb amüsierten Besucher in der Großen Freiheit hindurch. Irgendetwas muß den Männern mit den plastiziden Schleifen am Kragen an der Release-Party von Rocko Schamoni und Schorsch Kamerun zu ihren neuen Solowerken dann doch nicht gepaßt haben.

Schamoni las eine Geschichte zum Thema „Kokain“ vor, in der er mit bäuerlich zupackendem Schmackes „in Literatur machte“. Vielleicht lag den Garcons die Geschichte nicht, in der von einem „Entzug ohne große Probleme“ die Rede war. Dabei hatte die Darbietung Prinzip: Dem Publikum soll bei Schamoni nicht erst seit gestern nicht ganz geheuer zumute sein. Etwas furchtsam geworden, sollen sie sich fragen, ob Schamoni nicht wenigstens die eine oder andere Anstandsregel verletzt.

In einem solchen Moment schlägt die Stunde des Komödianten Rocko. Von der Bühne wollte er witzig genießen, daß ein paar Willige darum flehen, gesagt zu bekommen, an welcher Stelle genau sie ihm auf den Leim kriechen dürfen. Es liest sich schlimmer, als es war: Rocko Schamoni ging es darum, die Konvention des Buhlens umzudrehen. Das Publikum sollte dasjenige sein, das sich Mühe gibt und keinen Beifall erwarten kann.

Nach wie vor ist der Künstler dabei, sich ein Publikum zu schaffen. Manchmal nahm sich das aus, wie die Aufforderung am Grab eines zu Tode gekommenen Mitkämpfers: Schamoni, der Joke geht weiter!

Schorsch Kamerun sang dann noch Wiener Lieder mit HP Zinker und die Diskussion über Humor in der deutschen Popmusik fand nicht statt. „Wohlweislich und Gott sei Dank!“ kann man da nur sagen.

Kristof Schreuf