Vom „Zippeln“ geplagt

■ PUA Polizei: Szene-Anwalt Getzmann findet Polizei gut und Staatsanwälte böse

Woran liegt es, daß die Staatsanwaltschaft so selten beschuldigte Polizisten anklagt? Mit dieser Frage beschäftigte sich gestern der Parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) Hamburger Polizeiskandal. Und vernahm den Szene-Anwalt Manfred Getzmann (37), der den mißhandelten Journalisten Oliver Neß vertritt, als Zeugen.

Getzmann hatte mehrfach der Staatsanwaltschaft, insbesondere der Verfahrenseinstellungs-Expertin Marion Zippel, Strafvereitelung im Amt vorgeworfen. Nachdem er in epischer Breite Beispiele aus seiner anwaltlichen Tätigkeit dargestellt hatte, kam er zu folgender Analyse: Polizei gut, Staatsanwaltschaft böse.

Der große Fehler sei die Einrichtung der berüchtigten E-Schichten gewesen, die im Dreieck Karo, Schanze und St. Pauli ihr Unwesen trieben. „Die Ballung“ und „die klare Linie“, mit der Gewalt gegen Festgenommene ausgeübt wurde, „habe ich vorher und nachher nicht erlebt“, so Getzmann. Ergo: Die E-Schichten waren das Problem und sind heute Geschichte. Inzwischen, lobt Getzmann, habe sich das sehr gebessert, wie man bei der Kurden-Demo am Mittwoch sehen konnte.

Die Polizei, da ist der linke Anwalt sicher, habe mehrheitlich „hochdemokratische Beamte“, und „die wenigen schwarzen Schafe sind zu orten“. Man müsse nur ein paar, „die was auf dem Kerbholz haben“, zur Verantwortung ziehen, das reiche als Signal für den Rest. Damit schloß sich das Ex-SPD-Mitglied Getzmann dem SPD-CDU-Stattpartei-Syndrom an: der Einzeltäter-Theorie. Die Mauer des Schweigens sei nur durch Angst zu erklären; es säßen zum Teil die Falschen oben in der Hierarchie.

Böse sei aber die Staatsanwaltschaft. Die nehme bei Ermittlungen gegen Polizisten die Rolle der Verteidigung statt die der Anklage ein. Subtil, aber wirkungsvoll sei die Vorgehensweise der Ermittlungsbehörde, „Zippeln“ würde man das inzwischen in Anwaltskreisen nennen. Es würden entweder nutzlose Aktenberge produziert, gar nicht oder aber am Fall vorbei ermittelt. Und zwar „mit einer Dreistigkeit und Häufigkeit“, wie sie in anderen Bereichen der Strafjustiz nicht vorkämen. Silke Mertins