„Das geht an die Substanz“

■ Protest gegen Kahlschlag: 2000 Blohm + Voss-Beschäftigte besetzten Dock Elbe 17 / Betriebsrat legt Eckpunkte für Beschäftigung vor Von Julia Kossmann

Über der Elbe wehten IG Metall-Fahnen, Transparente versprachen „Protest“ oder prophezeiten „Ohne Blohm + Voss ist Hamburg ein toter Koloß“, Hafenfähren signalisierten mit Nebelhörnern Solidarität: 2000 Beschäftigte der Werft Blohm +  Voss demonstrierten gestern mit einer Besetzung des Docks Elbe 17 für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Die Geschäftsführung müsse ihre Kahlschlag-Pläne zum Abbau von 846 Arbeitsplätzen überdenken, so die Forderung. Rund 3500 Menschen arbeiten jetzt noch bei B+V. Bis Ende 1997 soll ihre Zahl auf 2900, langfristig gar auf 1900 reduziert werden. Das sieht das Konzept der Geschäftsführung vor, mit dem sie Betriebsrat (BR) und Gewerkschaft vor drei Wochen überrollte.

Zu den außerordentlichen Aufsichtsratssitzungen von B+V am 25. März und der Konzernmutter Thyssen Industrie (TI) am 27. März legte der BR gestern Eckpunkte eines Beschäftigungskonzeptes vor. Darin fordert er unter anderem die Beibehaltung der Produktpalette des Turbinenbaus, die Weiterentwicklung des Energieanlagenbaus, den Erhalt der Kesselbau-Fertigung und der Stahlbaufertigung. Zudem sollen die Reduzierung von Überstunden und ein Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag den Stellenabbau bremsen.

Karin Zboralski, Betriebsrätin bei B+V Industrie, beklagt, daß die Geschäftsführung zur Konsolidierung des Betriebs und mit Blick auf die Dividende ausschließlich auf Personalabbau setze und dabei die Kompetenz der Werker und Ingenieure vernachlässige. Außerdem müßten Produkte wie der Entöler, der Ölreste in Schiffen auffängt, so daß sie nicht auf See, sondern umweltgerecht in Häfen entsorgt werden können, weiter produziert werden. Auftragsarme Zeiten könnte die Belegschaft für zukunftsweisende Entwicklungsaufgaben nutzen.

Auch die Vorruhestandsregelung ist mittlerweile ausgereizt, die neue Frühverrentungsformel von Bundesarbeitsminister Blüm zudem für Arbeitgeber und Arbeitnehmer unattraktiv. Also droht jungen Leuten der Rausschmiß. „Jetzt geht es an die Substanz“, fürchtet Betriebsrat Herbert Oetting.

Intensive Gespräche führt der BR mit der Geschäftsführung, wobei noch nicht „viel Bewegung“ entstanden sei, klagt Oetting. B+V-Chef Herbert von Nitzsch war gestern ebenso wie Eckhard Rohkamp, Vorstands-Chef der B+V-Konzernmutter Thyssen-Industrie in Essen, für die taz nicht zu sprechen.

In Hamburgs Wirtschaftsbehörde werkelt man derweil am Konzept eines Parks für Maritime Technologien auf den freiwerdenden B+V-Flächen. Mit Ergebnissen sei vor April nicht zu rechnen, so Behördensprecher Wolfgang Becker.

Auf der Sitzbank einer Barkasse steht Alwin Stegemann, BR bei der B+V-Tochter Hamburg Repair Service (RSH), deren 46 Arbeitsplätze komplett abgewickelt werden sollen, und schaut zu seinen KollegInnen auf dem Dock herüber. „Halt dich gut fest, sonst fällste runter“, foppt ihn einer. Stegemann reagiert mit Galgenhumor: „Meine Frau fänd's nicht so gut, aber meinen Chef würd's freuen.“