Staatsanwalt am Stammtisch

■ Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge auf hartem Kurs: Gefahr für die Justiz vom „Neger im Kral“, Fehlurteile „gehören dazu“

„Wenn Sie Manns genug sind, stehen Sie zu Ihrer Kritik“, forderte Rechtsanwalt Hans-Joachim Ehrig seinen Kontrahenten, den Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge, am Donnerstag abend heraus. Der Chef der Staatsanwaltschaft I beim Landgericht sollte vor knapp hundert Anwälten, Richtern und Staatsanwälten bei der Diskussion „Erfüllt Moabit seine Aufgaben?“ die Gründe für seine harte Kritik an der Strafjustiz erläutern. In einem Interview Anfang Januar hatte Karge Richtern und Staatsanwälten unter anderem Faulheit vorgeworfen.

Seine Äußerungen lösten bei Gericht einen Proteststurm aus. Karge wurde Stammtischniveau vorgeworfen. Die Justizsenatorin zitierte ihn zum Gespräch, die Strafverteidiger-Vereinigung forderte seine Absetzung. „Ich habe nichts gegen Stammtischniveau“, gestand Karge vorgestern. „Meine Kritik geht die Strafverteidiger nichts an“, stellte er klar. In Moabit sei alles „normal“. Wo es Licht gebe, gebe es auch Schatten. Er habe vielmehr den Verdacht, daß die Gerichtsroutine der Kriminalität nicht gewachsen sei. Als Beispiel für „die uns überschwemmende Kriminalität“ nannte er „den Neger im Kral“. Als ihn Renate Künast, Rechtsexpertin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dafür kritisierte, sagte er: „Ich habe nicht die Absicht, mich mit 55 Jahren zu ändern.“

Bereits bei seiner Amtseinführung vor gut einem Jahr hatte Karge angekündigt, die Staatsanwaltschaft wie einen „Panzerkreuzer“ zu führen. Diese Äußerungen verteidigte er mit dem Satz: „Ich kann mir militärische Wörter leisten, ich habe nicht gedient.“ Den Vorwurf von Anwälten, daß man „Karges Geist im Gericht“ auch daran spüre, daß sich viele Staatsanwälte nicht trauten, Verfahren einzustellen, konterte er: „Ich habe eher das Problem, daß zuviel eingestellt wird.“ Er bekomme zum Jahresende einen Überblick, wer mit welchem Paragraphen Verfahren einstelle.

Karges harte Gangart zeigte sich auch in seinem Verständnis für den spektakulären Justizirrtum, der in dem Verfahren gegen den Serienmörder Rung ans Licht gekommen war. „Fehlurteile gehören doch dazu!“ empörte er sich. Er sehe nicht ein, „ausgerechnet in Berlin den Schwanz einzuziehen“. Barbara Bollwahn