■ Ökolumne
: Arbeit statt Autos Von Florian Marten

Autobahnen oder Arbeitslosenhilfe, Flughafenausbau oder Freisetzung von Arbeitsplätzen, Transrapid oder technologischer Rückschritt? Ökologische Verkehrsphantasien beißen sich, so scheint's, bitter an ökonomischen Essentials.

So müssen Räder noch immer rollen für den Sieg – zumindest am Wahltag. Kein Wunder, daß es in rot- grünen Koalitionen knarzt: Roter Arbeitsplatzkampf gegen grüne Mittelstandsinteressen, hier die aufrechte Sorge um die Existenz, dort larmoyante Luxusbedürfnisse, Brummis, Jets und Daimlers gegen Fahrrad, Obst aus dem Garten, begrünte Landebahnen und Urlaub im Stadtpark – im rauhen Wind der Krise beweist der sonore Dreiklang von Männern, Motoren und Moneten seine ungebrochene Strahlkraft: Einst sollten Hitlers Autobahnen den deutschen Arbeitern der Faust Ehre und Einkommen wiedergeben. Heute müssen Wolfgang Clements Flughafenarbeitsplätze Vorrang vor miesepetriger Sorge um ein bißchen Jetlärm haben. Und Schleswig-Holsteins Grüne werden sich wundern, was die Wähler von ihrem fundamentalistischen Nein zur Ostseeautobahn halten, das die arbeitslosen Werftarbeiter von Wismar bis Wolgast schon heute in Wallung versetzt.

Doch der Streit um Verkehr ist mehr als eine rot- grüne Kinderkrankheit mit Lollis in Kassel, Tunneln in München, Betonpisten in Nordrhein-Westfalen oder Autobahnen in Schleswig-Holstein. An der Verkehrspolitik könnte sich entscheiden, ob der ökologische Umbau der Industriegesellschaft eine Chance hat. Während die Sozialdemokraten unter dem Druck von Autolobby und Stammtischen Leitplanken weiter mit Arbeitsplätzen verwechseln, gelingt es den Grünen nicht, Konzepte und Alternativen, sondern allenfalls ein plakatives Nein rüberzubringen.

Dabei sind sich Experten bis weit hinein in die deutsche Industrie längst einig: Unsere heutige Verkehrsorganisation mit Auto, Brummi und Flugzeug schädigt nicht nur Mensch, Stadt und Umwelt, sie ist auch die wirtschaftlich ineffizienteste Transportorganisation seit Beginn des Industriezeitalters. Schon heute ist die Fortbewegungsgeschwindigkeit von Managern, egal ob im Ruhrgebiet, in Rom oder im niederländischen Städtefünfeck Randstadt, weit unter das Niveau der zwanziger Jahre gefallen. Trotz verschwenderisch niedriger Energiepreise verwenden wir unverschämt hohe Anteile des Volksprodukts auf den Verkehr.

Unser heutiges Verkehrssystem ist eine widersinnige Vernichtung von Volksvermögen. Dies galt schon für Hitlers angebliche Autobahnarbeitsplätze: Zur Hochzeit des NS-Autobahnbaus waren gerade mal 600.000 Menschen im Einsatz, großenteils Zwangsarbeiter – ein verschwindender Bruchteil der Millionen von Arbeitslosen des Jahres 1932.

Nein, die neue Organisation unserer Verkehrssysteme ist kein Schönwetterprojekt, sondern einer der wenigen Auswege aus Wirtschaftskrise und Klimakatastrophe. Um es im Deutsch der Herren Schröder und Rexrodt auszudrücken: Eine Wettbewerbspolitik, die den Standort Deutschland zukunftssicher positionieren will, kommt um eine schlanke Verkehrsorganisation, neue logistische Systeme und innovative Netzwerke von Kommunikation und Produktion nicht herum. Es gilt, Manager und Macker aus dem Stau, Güter aus ihren teilweise irrwitzigen weltweiten Umlaufbahnen zu befreien.

Doch die SPD hat sich längst von einer Politik verabschiedet, die Visionen in Realität verwandelt. Sie hangelt sich durch einen Irrgarten von Reförmchen und Rechtspopulismus – hie eine Stadtbahnlinie, da ein Opernball mit Piäch. Den Grünen mangelt es an Durchsetzungsfähigkeit, aber auch an Gestaltungswillen. Dabei liegt die Lösung auf der Hand, wirtschaftsfreundlich, global verträglich, sozial bekömmlich und ein Segen für die öffentlichen Kassen: Arbeit statt Autos, Arbeitsplätze statt Autobahnen und technologische Innovationen statt transrapidalen Betons. Bleibt ein – kleines – Problem: Politiker müßten die Lücke zwischen ihren Sonntagsreden und ihrem Handeln schließen. Wer hindert sie eigentlich daran?