Magerkur statt Fitneßpackung

■ Neuer Tarifvertrag für die Hochbahn: Verlängerte Arbeitszeit, mäßige Lohnerhöhung und Beschäftigungsgarantien

Die ÖTV hatte es eilig. Wahltag ist Zahltag: Nach den Landtagswahlen werden, so die Furcht der ÖTV, auch Hamburgs Sozialdemokraten mit harten Maßnahmen auf die katastrophale Lage der öffentlichen Finanzen antworten. Den Haustarifvertrag für die 5.500 Beschäftigten der Hamburger Hochbahn AG noch vor dem 24. März unter Dach und Fach gebracht zu haben gilt deshalb – trotz aller bitteren Kröten – der ÖTV-Spitze als taktischer Erfolg.

Wenn diese heute abend ihren Vertrauensleuten bei der HHA das Verhandlungsergebnis im Detail erklärt, dürfte sie allerdings kaum auf große Begeisterung stoßen: Zwar gibt es eine Lohnerhöhung von 2,7 Prozent – doch 1 Prozent wird nur in Abhängigkeit von der Anwesenheitsquote gezahlt, eine Art Krankheitsbestrafung. Zwar gibt es eine Garantie für den Bestand aller 5 Busbetriebshöfe bis 1998 sowie die Zusicherung, bis zum Jahr 2001 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen – dafür aber werden die Arbeitszeit um 1,5 Stunden auf 38,5 Stunden verlängert und die bisherige Bezahlung von Pausen gestrichen. Zwar erhält ein Gutteil der HHA-Beschäftigten eine Besitzstandswahrung der Betriebsrenten – in Zukunft gibt es hier allerdings massive Einschnitte.

Während der harten Tarifverhandlungen mußte der neue HHA-Chef (und Ex-SPD-Fraktionsvorsitzende) Günter Elste mehrfach Auszeiten nehmen, um sich das OK des Aufsichtsratsvorsitzenden und Verkehrssenators Eugen Wagner zu holen, der die HHA unverändert am kurzen Zügel führt. Anlaß der Minusrunde, die laut Elste in den kommenden Jahren mindestens 20 Millionen Mark an Einsparungen bringen soll, ist allerdings nicht nur die Bankrott-Situation des Hamburger Haushalts: Die Regionalisierung des Öffentlichen Nahverkehrs ab 1.1.96 bringt für die Nahverkehrsunternehmen den Zwang zu europaweitem Wettbewerb, eine Herausforderung, die der Hamburger Senat durch eine Übergangsregelung bis 1998 hinausgezögert hat.

Seit gut einem Jahr herrscht denn auch in der HHA, die nach Ansicht von Experten zu den ineffizientesten Verkehrsunternehmen der Republik gehört, eine Mischung aus Panik und Hektik: Kostensenkung lautet die neue Parole. Auch andere Verkehrsunternehmen in Deutschland bereiten sich derzeit auf den europäischen Wettbewerb vor. Anders als bei der HHA steht dort gewöhnlich allerdings nicht die Kostensenkung im Vordergrund, sondern Qualitätssteigerungen und Produktinnovationen.

Das neue Grünbuch der Europäischen Union zum ÖPNV stellt denn auch die Steigerung der Fahrgastzahlen sowie die Qualität der Leistungen in den Mittelpunkt. Den ersten europäischen Nahverkehrspreis, ausgelobt für „Innovation und Effizienz“, gewann Ende 1995 denn auch Freiburg vor Linz und Chemnitz – Hamburg hatte sich in weiser Selbstbescheidung erst gar nicht beworben. Florian Marten