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Briefmarken für die Volksdemokratie

■ Parlament einigt sich auf „Volksgesetzgebung“ und Ministerpräsidenten für Hamburg

Mehr Macht für den Boß, ein paar neue Rechte fürs Volk und noch keine Einigkeit in Sachen Wahl der Abgeordneten – in 11 Stunden fleißiger Debatte brachte der Verfassungsausschuß der Hamburger Bürgerschaft am Wochenende immerhin einen Teil der seit fast vier Jahren debattierten Verfassungs- und Gesetzesänderungen zur „Entscheidungsreife“. Man wolle erreichen, so Ausschußchef Rolf Kruse (CDU) optimistisch, „daß die Bürgerschaft noch vor der Sommerpause entscheiden kann“. Denn, so SPD-Verfassungsspezi Jan Ehlers, „Hamburg ist spät dran“.

Demnach soll sich der Erste Bürgermeister, bislang bloß „primus inter pares“,zu einem echten Ministerpräsidenten werden: Hamburgs SenatschefIn erhält künftig die heißbegehrte „Richtlinienkompetenz“ und das Recht der SenatorInnenauswahl. Die Bürgerschaft darf den Senat dann nicht mehr stückweise, sondern nur noch im Paket akzeptieren. Abgeschafft wird auch der „Ewige Senat“: Regierte der Senat bislang nach Wahlen weiter, bis die Bürgerschaft einen neuen wählte – was die SPD gleich mehrfach zur Erzwingung von Neuwahlen nutzte –, so endet künftig die Amtszeit mit dem Wahltag. Der Senat ist danach bis zur Wahl eines neuen nur noch geschäftsführend im Amt.

“Na, dann übernehmen wir eben nur die Zustellung“ – mit dieser kulanten, pro Einzelfall immerhin 1 Million Mark teuren Zusage, glätteten Innenbehörde und Justizbehörde am Wochenende auch den Weg zur Einführung einer „Volksgesetzgebung“. Volksinitiative, -begehren und -entscheid, in den meisten Bundesländern ein alter Hut, werden damit voraussichtlich ab 1997 auch in Hamburg zum Verfassungselement.

Freilich mit hohen Hürden: 20.000 BürgerInnen mit Wahlrecht zur Bürgerschaft müssen unterschreiben, damit eine Volksinitiative eingeleitet wird. Klappt das, dann hilft der Staat per Post: Allen Wahlberechtigten wird mitgeteilt, wo sie innerhalb von 14 Tagen dem daraufhin eingeleiteten Volksbegehren per Unterschrift zum Erfolg verhelfen können. Hierzu genügt die einfache Mehrheit der abgegebenn Stimmen – sofern mindestens 10 Prozent aller BürgerInnen, rund 120.000 also, mit Ja stimmen. Danach ist die Bürgerschaft am Zug: Verweigert sie die Annahme des Volksbegehrens, kommt es zum Volksentscheid. Hier müssen jedoch mindestens 25 Prozent (rund 300.000 HamburgerInnen) mit Ja stimmen. Geht es beim Begehren gar um Verfassungsänderungen, ist eine Zustimmung von satten 50 Prozent erforderlich.

“Bayern“, so spottete GAL-Demokratie-Spezialist Martin Schmidt, „kommt ohne Quorum aus.“ Dennoch zeigte er sich zusammen mit Rolf Kruse dankbar (“Der Konsens wächst“) über „Fortschritte in vielen kleinen Punkten“.

Florian Marten

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