Bonn fährt Radunski in die Parade

■ Bundesforschungsministerium ist gegen Abwicklung des Chemieinstituts in Adlershof. 231 Mitarbeiter sind betroffen

Die Pläne des Senats, das auf dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof angesiedelte „Institut für Angewandte Chemie“ (ACA) zu schließen, stoßen in Bonn auf Widerstand. „Diese Absicht konterkariert die Prioritäten zum Ausbau des Standortes Adlershof“, so der Staatssekretär Fritz Schaumann vom Bundeswissenschaftsministerium. Mit der Abwicklung des ACA erhofft der Senat 15 Millionen Mark einzusparen.

In gleichlautenden Schreiben an Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) und Staatssekretär Frank Thies nennt Schaumann den beabsichtigten Schritt des Senats ein „falsches Signal für die Verläßlichkeit des Staates zur Sicherung des Forschungs- und Wissenschaftsstandorts Deutschland“. Der Ausstieg Berlins aus dem gemeinsamen Projekt finde nicht die Zustimmung des Bundesforschungsministeriums.

Das vom Deutschen Wissenschaftsrat nach der Wende dreimal positiv evaluierte Institut hatte die Senatskoalition mit der Begründung auf die Abwicklungsliste setzen lassen, daß dabei verwaltungstechnisch die geringsten Probleme entstünden. An dem Institut arbeiten derzeit 231 Mitarbeiter.

Der 1993 eingetragene Verein ACA wurde von Bund und Land als erstes deutsches Forschungsinstitut für eine Dauer von zehn Jahren gegründet. Allerdings hieß es schon damals im Vertrag: „Die Finanzierung steht unter den Vorbehalten der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln.“

Vier Millionen Mark erwirtschaftet das Institut über sogenannte Drittmittel selbst. Zu seinen Auftraggebern gehören inzwischen Bayer, Hoechst, Schering, Herlitz, Samsung, Agfa. Der ACA-Betriebsrat rechnete am 18. März auf einer Protestdemonstration am Roten Rathaus vor, daß mit der Schließung Einahmen in fast derselben Höhe wie die Einsparungen verlorengehen – also rund 15 Millionen Mark.

Der aus Westdeutschland stammenden ACA-Leiter Manfred Baerns hatte in der Vergangenheit mit dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) einen Institutsneubau ausgehandelt. Die Sparkurs warf die früheren Planungen jedoch über den Haufen. Nachdem Baerns am 18. März im Wissenschaftsausschuß des Abgeordnetenhauses angehört worden war, meinte die Bündnis 90/Grüne-Sprecherin Sybille Volkholz, die Zukunft des ACA sei „schwer einzuschätzen“. Ihr Parteifreund Anselm Lange war noch pessimistischer: „Radunski will versuchen, da noch was hin und her zu schieben, aber er hat sich dabei selbst widersprochen.“ Auch mehrere Abgeordnete der CDU stehen dem Plan Radunksi dem Vernehmen nach ablehnend gegenüber. Das Institut arbeit unter anderem an umweltfreundlichen Flockungsmitteln für die Wasseraufbereitung. Außerdem steht das ACA seit geraumer Zeit wieder in Verbindung mit den Resten der früheren DDR-Chemiestandorte. „Nachdem die Industriekerne der Chemieproduktion Leuna, Buna, Böhlen, Schwarzheide und Schwedt wieder Tritt gefaßt haben, sind sie zunehmend an einer Zusammenarbeit mit dem ACA interessiert“, so der Betriebsratsvorsitzende Hermann Ehwald. Die Abwicklung des Instituts ist für ihn auch ein Ossi-Wessi- Kampf: „Wir verlangen gleiche Chancen mit allen öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen – in Ost- und Westberlin.“ Auf den Institutsneubau könne man zur Not verzichten.

Der ACA-Jurist Zindel hält einen Ausstieg Berlins nicht für möglich. Nach den Bestimmungen des dehnbaren Verwaltungsverfahrensgesetz habe das Land „keine Möglichkeit, vor dem Jahr 2003 auszusteigen, weil der Bund einen Anspruch auf Erfüllung des Vertrages geltend machen kann“. Mit den Vertretern des Verbandes der chemischen Industrie im Aufsichtsrat des Instituts war man sich einig: Wenn gekürzt werden muß, „dann fachbezogen und bei allem ermitteln, wo und was“. Helmut Höge