■ Vorsorgemaßnahmen: Unverbindliche Patiententestamente
Wie ermittelt man den Willen eines Menschen, der sich nicht äußern kann? Wenn er im Koma liegt, altersdement oder durch einen Unfall bewußtlos geworden ist? Eine verwirrend einfache Antwort gibt der Juraprofessor Diethart Zielinski von der Universität Hannover: „Es ist schlicht unmöglich“, schreibt er in der Zeitschrift Arztrecht, „den wirklich individuellen Willen eines Willensunfähigen in einem Zeitpunkt und in einer Situation festzustellen, die der Betroffene nie bewußt erlebt hat.“
Dies wird dem Ausschuß der Bundesärztekammer (BÄK), der derzeit die „Richtlinien für die Sterbebegleitung“ überarbeitet, wohl nicht weiterhelfen. Die sieben Experten mühen sich nach Auskunft von BÄK-Vizepräsident Jörg-Dietrich Hoppe, den Begriff „mutmaßlicher Patientenwille“ so zu definieren, „daß er für Ärzte und Angehörige einsichtig ist“. Dabei soll auch geklärt werden, wie man dem mutmaßlichen Willen nichtäußerungsfähiger PatientInnen auf die Spur kommen kann und welche Pflichten dabei gelten sollen.
„Einen höheren Stellenwert“, prognostiziert Hoppe, werden die BÄK-Richtlinien künftig wahrscheinlich sogenannten „Patiententestamenten“ zumessen. Damit können Menschen schriftlich erklären, wie sie in bestimmten Situationen medizinisch behandelt werden wollen – oder eben nicht mehr. Solche Verfügungen sind hierzulande rechtlich nicht bindend, und 1995 bekräftigten die Delegierten des Deutschen Ärztetages, daß sie „mit größter Skepsis betrachtet werden müssen“. Zur Begründung hieß es: „Wir Ärzte wissen nur zu gut, daß ein gesunder Mensch in guten Zeiten eine ganz andere Meinung über intensivmedizinische Maßnahmen und Gerätemedizin haben kann als einer, der unmittelbar hiervon betroffen ist.“
Problematisch kann auch die Erklärung im hohen Alter sein: Menschen könnten sich moralisch verpflichtet fühlen, den Tod durch Unterlassung einer medizinischen Behandlung zu erbitten, um ihren Angehörigen nicht zur Last zu fallen.
Gleichwohl empfehlen private Stellen wie Hospizinitiativen Ratsuchenden, als Vorsorgemöglichkeit für ein „Sterben in Würde“, bei RechtsanwältInnen oder Angehörigen Patiententestamente zu hinterlegen. Entsprechende Vordrucke verschicken gratis kommunale Seniorenbeiräte, etwa in Stuttgart oder Wiesbaden; Muster christlicher Verfügungen finden sich im Evangelischen Gesangbuch, Ausgabe Bayern und Thüringen.
In Dänemark trat im Herbst 1992 ein „Gesetz über Lebenstestamente“ in Kraft – perfektioniert durch staatliche Bürokratie. Das dänische Gesundheitsministerium organisiert ein zentrales Register. Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, bei der Registerbehörde anzufragen, ob eine Verfügung seines Patienten vorliegt. Hat der Betreffende dort – nach Zahlung einer Gebühr – mit seiner Unterschrift erklärt, er wünsche in einer aussichtslosen medizinischen Situation keine lebensverlängernde Behandlung, muß der Mediziner den Todeswunsch erfüllen. Klaus-Peter Görlitzer
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