Goldschürfen: Ein schmutziges Geschäft

Die Wirtschaft Ghanas wird von einem der größten Bergbaukonzerne Afrikas, den „Ashanti Goldfields“, beherrscht. Doch die Menschen in Ghana haben wenig vom Goldrausch. Dafür versaut die Goldgewinnung die Umwelt  ■ Aus Obuasi Uwe Kerkow

Obuasi ist auf den ersten Blick ein Industriekaff, wie es viele andere gibt. Hier schürft die „Ashanti Goldfields Corporation“ (AGC) über und unter der Erde auf 474 Quadratkilometern nach Gold. Die Stadt gehört dem Konzern, so wie Leverkusen Bayer gehört oder Rüsselsheim der Opel AG. Jeder hat hier irgendwie mit der Goldschürferei zu tun. Werkssiedlungen bestimmten das Straßenbild vor dem Hintergrund einer Industrielandschaft.

Doch einiges ist ungewohnt: Wer hier nicht das Glück gehabt hat, direkt oder indirekt für die AGC arbeiten zu können, ist mit „galamsey“ beschäftigt. Dies ist ein traditionsreiches Handwerk in fast ganz Ghana und bezeichnet das – oft illegale – Goldschürfen in kleinen Gruppen. Das Wort ist eine Verballhornung des englischen „collect and sell“ (sammeln und verkaufen), und die Mutigsten wagen sich sogar unter Tage in die Stollen der größeren Gesellschaften. Eine Gruppe gewinnt das Erz, andere mahlen es, und wieder andere holen mittels Quecksilber das Gold aus dem Gesteinsmehl. Pro Tonne Erz kann ein Verdienst von umgerechnet zehn bis 30 Mark erzielt werden. Weitere Kleinstbetriebe beschäftigen sich damit, das landesweit aus diesem Geschäft nach Obuasi hereinströmende Gold zu raffinieren.

Seit die Regierung 1989 die Goldschürferei für Kleinunternehmen freigegeben hat, ist in Ghana ein richtiger Goldrausch ausgebrochen. Letztes Jahr kamen immerhin sieben Prozent der ghanaischen Goldexporte aus dem „galamsey“-Geschäft.

Fast schon der größte Bergbaukonzern Afrikas

Die Ashanti Goldfields selbst sind ein florierendes Unternehmen. Mit der umgerechnet knapp 200 Millionen Mark teuren Übernahme der Firma „Cluff-Resources“ hat der Konzern seine Stellung als größtes Bergbauunternehmen in Afrika – außerhalb Südafrikas – weiter ausgebaut. Zum Konzern gehören Goldminen in Ghana, Senegal, Guinea, Mali und Niger sowie in Simbabwe und Tansania. Darüber hinaus werden Vorhaben in Sudan, Äthiopien und Eritrea, in Mosambik und in Angola avisiert. Im letzten Geschäftsjahr wurden 932.323 Unzen gewonnen, das sind fast 29 Tonnen reines Gold, die einem Umsatz von zirka 550 Millionen Mark entsprechen. Dabei machte die Gesellschaft einen Gewinn nach Steuern von umgerechnet rund 155 Millionen Mark – über 25 Prozent des Umsatzes sind Reingewinn: ein Traumergebnis.

Obuasi ist die älteste und größte Mine der AGC. Hier haben schon die Engländer nach dem edlen Stoff gegraben, und in einem riesigen Halbkreis um die Stadt sind 100 Jahre Industriegeschichte zu besichtigen. Doch die Goldschürferei kann ein dreckiges Geschäft sein.

In einem Teil der Mine ist das Gold nicht durch Ausmahlen zu gewinnen, es ist in hauchdünnen Fäden in Arsenopyrit eingelagert. Da dieses Mineral neben Arsen und Eisen viel Schwefel enthält, ist die einfachste Methode, das Gold zu gewinnen, indem man das Erz verbrennt und das Gold aus der Asche extrahiert.

Ein Laboringenieur, der ungenannt bleiben will, hat die Probleme so geschildert: „Bei der Verbrennung des Erzes, auch Röstung genannt, wird Schwefeldioxid und Arsen in die Luft freigesetzt. Das SO2 schlägt an den umliegenden Berghängen nieder und hat dort im Laufe der Jahre jegliches Leben ausgelöscht. Die Arsenverbindungen geraten, sobald sie einmal in Wasser gelöst sind, in die Bäche und das Grundwasser und vergiften jegliches Leben. Man sagt, daß unsere Orangen wegen ihres hohen Arsengehaltes so süß schmecken.“ Andere Quellen legen nahe, daß Haut- und Lungenkrankheiten in Obuasi weit häufiger anzutreffen sind als im Umland. Eindeutige Zusammenhänge mit den Mineralaktivitäten sind bisher allerdings nicht festgestellt worden. Dr. Owusu-Ayeku, zur Zeit Oppositionsführer im ghanaischen Parlament, schätzt die Lebenserwartung in Obuasi auf zehn Jahre niedriger als im Durchschnitt des Landes.

James Kwamena Anaman, Manager der AGC-Zentrale im „Goldhaus“ in Accra sieht das natürlich anders. „Die kahlen Hänge können Sie sehen“, sagt er, „was Sie noch nicht sehen können, sind die Wiederaufforstungsarbeiten. 1995 haben wir den ersten Umweltschutzbericht vorgelegt, ohne daß ein Gesetz das von uns verlangt. Unsere Schwefeldioxid- emissionen kontrollieren wir regelmäßig, und sie liegen innerhalb der von der Weltbank empfohlenen Werte.“ Er weist darauf hin, daß die AGC über eine Umweltschutzabteilung verfügt, und versichert: „Wenn wir ausrutschen, sind wir die ersten, die davon erfahren.“ Verräterisch ist lediglich seine Feststellung, daß die AGC kostenlos neue Brunnen für die betroffenen Gemeinden bohrt, denn damit räumt er indirekt ein, daß das Grundwasser vergiftet wurde.

Die AGC produziert eben Gold, und die Aktionäre in London und neuerdings auch in New York wollen ihre Dividende nicht geschmälert sehen. „Wir waren mit dem Ergebnis letztes Jahr zufrieden und wollen nächstes Jahr weit über eine Million Unzen produzieren“, so Anaman.

Die Ghanaer haben wenig vom Goldboom

Die AGC ist nicht mehr aus dem ghanaischen Wirtschaftsleben wegzudenken. War sie noch bis in die achtziger Jahre hinein ein defizitärer Staatsbetrieb, exportierte sie 1995 allein rund 70 Prozent allen ghanaischen Goldes. Das gelbe Metall ist das wichtigste Exportprodukt des westafrikanischen Landes – wichtiger als Kakao und Holz zusammen. Wenn die endgültigen Zahlen für 1995 vorliegen, könnte es sich herausstellen, daß die AGC allein ein Viertel oder sogar ein Drittel aller Exporterlöse Ghanas erwirtschaftet hat.

Entsprechend gewichtig ist die Rolle des Konzerns an der jungen Börse in Accra. Der ghanaische Staat und einheimische Aktionäre halten dabei nur ein Drittel der Aktien. Der Löwenanteil gehört der britischen Lonrho Plc. und der Bank of New York. Die AGC hat im vergangenen Geschäftsjahr dem Staat nur knapp 600.000 DM an Steuern gezahlt, und auch der Löwenanteil der Gewinne aus dem Exportgeschäft geht ins Ausland. Entsprechend gering bleibt der Nutzen für die Menschen in Ghana.

Das „galamsey“ könnte durch die bessere Verteilung der Gewinne bald bedeutsamer für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes werden als die Geschäfte des Giganten. Die ökologischen Auswirkungen – besonders auf die sowieso schon spärliche Vegetation im trockenen Norden des Landes – sind allerdings auch bei dieser Schürfmethode erschreckend.