Prinzip Hoffnung für Lehrer

An den Schulen fallen 3.500 Stellen weg. Damit die überalterten Kollegien nicht vergreisen, werden jährlich 200 junge Pädagogen eingestellt  ■ Von Bernd Kastner

Die Berliner Lehrerschaft vergreist. Über die Hälfte der Lehrer im Westteil ist älter als 50 Jahre. Sogar der statistische Durchschnittslehrer feiert schon seinen Fünfzigsten. Im Vergleich dazu wirken die Kollegen im Osten mit durchschnittlich knapp 45 Jahren beinahe jugendlich. Ein anderer Typ des Durchschnittspädagogen wird dagegen immer jünger. Sein genaues Alter ist nicht erfaßt, bekannt ist nur: Er ist arbeitslos. Und: Es gibt immer mehr von ihm. Wieviel genau, ist offen, weil keine genauen Zahlen vorliegen.

Und nun soll bis 1999 noch jede zehnte der rund 35.000 Lehrerstellen in Berlin wegfallen. Aber auch Referendare und Lehramtsanwärter macht der Sparzwang des Senats beschäftigungslos: Die 450 angehenden Lehrer, die eigentlich im Mai eingestellt werden sollten, müssen sich gedulden. Um gut acht Millionen Mark zu sparen, strich der Senat diesen Termin ersatzlos. Nächst möglicher ist nun der November. „Das ist glatter Vertrauensbruch“, schimpft Dieter Haase, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Nicht nur, daß den Schulen die fest eingeplanten jungen Pädagogen fehlten. Leidtragende sind besonders die Noch- Nicht-Referendare, die sich nach dieser kurzfristigen Absage nicht einmal mehr in einem anderen Bundesland bewerben können.

In der Hauptstadt werden ab 1997 pro Jahr nur mehr 1.560 Hochschulabgänger ihr Referendariat antreten können – 2.000 aber wollen eine solche Stelle. Und es wird generell statt zwei nur noch einen Einstellungstermin pro Jahr geben. Zwar wird irgendwann jeder dank des Rechtsanspruchs sein Referendariat beginnen, wenn er sich auf der immer länger werdenden Bewerberliste nach oben gewartet hat. Doch am Ende bleibt immer die Frage: Was kommt dann? Theoretisch können Berliner in ein anderes Bundesland wechseln. Doch der Arbeitsmarkt ist nirgends rosig. Für auswärtige Bewerber wird er eher dornig, wenn ein Land den „Landeskinderbonus“ vergibt. So wird etwa ein Bayer in Bayern einem gleich qualifizierten Berliner vorgezogen, weil er ein „Hiesiger“ ist.

Ungewiß ist auch die Zukunft der sogenannten „Fristverträgler“. 1.300 gibt es, und nur 300 von ihnen werden sicher nach diesem Schuljahr weiterbeschäftigt. „Hinter den anderen 1.000 steht ein Fragezeichen“, sagt der Sprecher der Schulsenatsverwaltung, Wolfgang Zügel. Dagegen geht die GEW auf die Barrikaden. Bis zu zehn Lehrer würden in mancher Schule mit einem Schlag wegfallen, wenn die befristeten Verträge nicht verlängert oder in unbefristete umgewandelt würden. Dabei ist es jetzt schon kaum möglich, etwa einen Musik- oder berufsbildenden Lehrer zu ersetzen. Es gibt schlichtweg zuwenig. Wieder wird mehr Unterricht ausfallen. Und die Klassen werden größer. Denn auf weniger Lehrer werden wohl auch in den nächsten Jahren mehr Schüler kommen, rechnet die GEW. Unter dem Strich steigen in West-Berlin die Schülerzahlen nämlich stärker als sie im Ostteil sinken. Für die Ost-Lehrer hat dies seit Jahren eine Wanderung gen Westen zur Folge.

Für die Stellenkürzungen ist also nicht der Geburtenrückgang, sondern der Sparzwang verantwortlich. 50 Millionen Mark will der Senat sparen, indem er die etwa 1.500 Lehrer, die jedes Jahr in Pension gehen, vorerst nicht mehr ersetzt. Die kleine Hoffnung, die Nachwuchskräften bleibt, heißt „Einstellungskorridor“. Durch dieses Schlupfloch sollen 200 junge Pädagogen jedes Jahr in die Schulen gelangen, „um die völlige Vergreisung der Lehrerschaft zu unterbinden“, so Zügel. Für sie sollen ältere Lehrer Platz machen, die ohnehin gerne der Schule den Rücken kehren wollen. Warum dieses „große Bedürfnis“ auf Vorruhestand oder Teilzeit nicht befriedigen, fragt die Senatsverwaltung und arbeitet an einer juristisch einwandfreien Regelung für das vorzeitige Ausscheiden der Beamten. Ob die jedoch zustande kommt, ist fraglich.