Widersprüche und Befangenheitsanträge en gros

■ Urteil im Verfahren wegen Tötung eines Thailänders verschiebt sich auf Mai

Rechtsanwalt Hans Ekkehard Plöger hat es wieder einmal geschafft, die Geduld des Gerichts mit Befangenheitsanträgen auf eine harte Probe zu stellen und die Planung durcheinanderzubringen. Plöger, der sich als Nebenklagevertreter in Mauerschützenprozessen und als Bandwurmspezialist im Honeckerverfahren einen unrühmlichen Namen gemacht hat, hat in dem Verfahren gegen den 19jährigen Soner C., der im Mai letzten Jahres einen Thailänder erstochen haben soll, mittlerweile über zehn Befangenheitsanträge gestellt. Die für gestern vorgesehen Plädoyers sind somit vorerst in weite Ferne gerückt. Frühestens Anfang Mai ist mit einem Urteil in dem seit Anfang März laufenden und vom Gericht als „hochgradig umstritten“ bezeichneten Verfahren zu rechnen.

Gestern stellte Plöger zur Erleichterung der Prozeßbeteiligten keinerlei Anträge. Dafür dehnte er eine beantragte fünfminütige Beratung mit dem Angeklagten auf fast eine Stunde aus. Soner C. soll am 26. Mai letzten Jahres während einer Schlägerei in der Fürbringerstraße zwischen Deutschen und Thailändern auf der einen Seite und Türken auf der anderen Seite einem am Boden liegenden 24jährigen Thailänder fünf Mal in den Rücken gestochen haben. Trotz einer raschen Operation verstarb das Opfer kurz darauf. Seine mitangeklagten Brüder Recep (15) und Bülent (21) wurden letzten Montag wegen schwerer und leichter Körperverletzung zur Teilnahme an einem Antigewaltseminar und Bülent außerdem zu einer Geldstrafe von 500 Mark verurteilt. Wegen „Auffälligkeiten in seiner Entwicklung“ und Drogenproblemen wird der Psychologe Werner Platz ein Gutachten über den Angeklagten, den er als „hilflos“ beschreibt, anfertigen.

Das Gericht hat auch gestern nicht klären können, ob der Angeklagte, bei dem man nicht weiß, ob er der Verhandlung überhaupt folgt, bei der Schlägerei dabei war. Laut Anklage soll Soner C. gemeinsam mit anderen Türken als Verstärkung in die Fürbringerstraße geholt worden sein, nachdem einige Türken wegen verschwundener Geschenke von der Geburtstagsfeier eines deutschen Mädchens verwiesen worden waren. Wie bereits andere Zeugen machten auch die gestern vernommenen türkischen Jugendlichen vor Gericht andere Angaben als bei der Polizei. So wollen sie am Ort der Schlägerei weder den Angeklagten noch das Messer in seiner Hand gesehen haben.

Laut Anklage soll Soner C. drei Jugendliche und seinen Bruder Recep, den er im Kampfgetümmel nicht erkannt hat, mit einem Messer verletzt haben. Ein gestern als Zeuge vernommener 16jähriger türkischer Schüler hatte bei der Polizei ausgesagt, daß ihn Soner C. und ein anderer Freund aus der Schlägerei herausgeholt hätte. Gestern aber sagte er: „Ich habe Soner überhaupt nicht gesehen.“ Auch er begründete seine widersprüchlichen Angaben mit den polizeilichen Vernehmungen, bei denen er unter Druck gesetzt worden sei. Um zu klären, unter welchen Umständen die Geständnisse zustandegekommen sind, werden demnächst die ermittelnden Polizisten als Zeugen gehört werden. Der Prozeß wird am Mittwoch fortgesetzt. Barbara Bollwahn