Schülerdemo endet in Randale

■ Ausschreitungen nach Schülerprotest in Kreuzberg. Friedliche Mehrheit unterliegt wenigen Randalierern. Scheiben gingen zu Bruch, Autos wurden beschädigt. Mehrere Schüler festgenommen

Der 17jährige Olcay demonstiert still und blickt enttäuscht ins Leere. Eine Mitstreiterin ist sogar den Tränen nahe. Olcay hält sein Transparent nur noch sporadisch, denn was hier passiert ist, hat mit seinem Protest gegen die Senatskürzungen im Bildungsbereich nichts mehr zu tun.

Die gestrige Kundgebung von 3.000 Kreuzberger Schülern und ihren Eltern gegen die Einsparung in Schulen entglitt den Veranstaltern, dem Bezirkselternausschuß, als gegen Mittag aus den Reihen der Demonstranten Eier und Steine gegen die Glasfassade des Bezirksamtes und die eigenen Redner flogen. Dabei gingen zwei Scheiben zu Bruch.

Viele Schüler reagierten entsetzt. „Die sind so hirnlos, wenn sie Steine schmeißen“, so die 16jährige Nora. Sie habe Angst, daß die Forderungen der Schüler nach besserer Bildung jetzt nicht mehr ernst genommen werden. Immer wieder flogen Gegenstände aus einer Gruppe von rund 20 jüngeren Schülern in Richtung Bezirksamt. Zu Füßen des bündnisgrünen Bezirksbürgermeisters Franz Schulz explodierte ein Silvesterknaller, als er den Schülern Gespräche anbot.

Dabei hatte zunächst alles friedlich und ausgelassen am Südstern begonnen. Lehrer der Charlotte- Salomon-Grundschule zogen mit Tamborin und Glocken durch die überfüllten Wagons der U 7 und sangen: „Sparen an der Schule bringt euch nur Bambule.“ In fünf Schulen hatten die Schüler zuvor den Unterricht friedlich bestreikt.

Mit Plakaten, rosa Papmaschésparschweinen und Trommeln zogen Eltern und Schüler in Volksfeststimmung gemeinsam vom Südstern über die Gneisenaustraße zum Kreuzberger Rathaus.

Olcay, der den Protest mit organisiert hatte, kritisierte, daß Bonner Kinder für den Umzug Lernhilfe im Wert von 2.500 Mark gestellt bekommen, „die bei uns gekürzt werden sollen“. Schüler und Eltern forderten den Erhalt der Essenssubventionen, kostenlose Lehrmittel und keine weiteren Streichungen bei Arbeitsgemeinschaften und außerunterrichtlicher Beschäftigung. „Die Politiker müssen sich sonst nicht wundern, wenn der Vandalismus ansteigt.“

Den Beweis gab es live vor dem Bezirksamt. Während die große Mehrheit weiter friedlich protestierte, erfreuten sich einige wenige an der Randale. Sie zwangen so die Veranstalter, die Kundgebung abzubrechen, um einen Einsatz der bis dahin zurückhaltenden Polizei zu verhindern. Vor den Türen verblieben 500 jüngere Demonstranten, die immer wieder unter großem Jubel mit Steinen, Eiern und Latten auch auf Polizisten warfen. Die Elternvertreter konnten sie nicht davon abhalten, hatten doch viele zuvor selbst mit Eiern geschmissen.

Daraufhin ging die Polizei mit Schlagstöcken gegen einzelne Schüler vor. Zwölf Jugendliche wurden festgenommen, drei von ihnen kamen am Ort wieder frei. Dabei waren auch Zivilpolizisten und ein Polizeihund im Einsatz, von denen Einsatzleiter Günter Neumann allerdings nichts wußte. „Ich werde der Bißverletzung, die ein Demonstrant erlitten hat, nachgehen“, versprach er nach der Demonstration.

Daß beim Protest 50 Autos durch Flaschen und Steine beschädigt wurden, wie es die Polizeipressestelle gestern meldete, konnte der Einsatzleiter allerdings nicht bestätigen. Torsten Teichmann