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Protest zwecklos

■ Acht Jahre Aufmupf sind genug: Ende des Monats stellt das "ffn-Frühstyxradio" seinen Provokationsbetrieb freiwillig ein

Im Mai 1992 belagerten allsonntäglich verstimmte Hörerhorden das Isernhagener Funkhaus des niedersächsischen Privatsenders Radio ffn. Vor Ort brachten sie ihren Zorn zum Ausdruck darüber, daß die weithin beliebte Comedy- Sendung „Frühstyxradio“ abgesetzt worden war, nachdem sich die Ausführenden dem Diktat des neuen Programmdirektors Peter Bartsch nicht hatten beugen wollen, hinfort gänzlich stubenreine Radiounterhaltung zu erstellen. Die Proteste hatten Erfolg – Bartsch nahm seinen Hut, die „Frühstyxradio“-Crew hingegen die Arbeit wieder auf.

Am 31. März dieses Jahres werden erneut ganze Heerscharen gen Isernhagen pilgern, denn an diesem Tag geht das letzte „Frühstyxradio“ über den Sender. Die seit acht Jahren erfolgreiche Sendereihe wird endgültig eingestellt, nicht auf Grund von Zensurbestrebungen, sondern auf Wunsch der Beteiligten. Dietmar Wischmeyer, einer der Konstrukteure des „Frühstyxradios“ und Autor wie auch Sprecher vieler Comedy-Figuren, erläutert die Motive der Spaßgesellen: „Die Einstellung des ,Frühstyxradios‘ war eine Entscheidung, die allein wir von der Comedy gefällt haben. Wir haben das jetzt acht Jahre lange gemacht und wollen uns diesem mörderischen Streß nicht mehr bis zum Lebensende aussetzen – was dann ja auch nicht mehr solange auf sich warten ließe ...“

Seit 1988 produziert die ffn-Comedy-Redaktion neben regelmäßigen Beiträgen für das laufende Programm das dreistündige „Frühstyxradio“, das trotz des undankbaren Sendeplatzes am Sonntagmorgen zwischen vier- und fünfhunderttausend Hörer erreichte. Die mit mehreren Medienpreisen ausgezeichnete Sendereihe machte Rundfunkgeschichte, denn im Rahmen eines kommerziell geführten Formatradios glich sie eher einer Funkstörung: Die ModeratorInnen waren Kunstfiguren, die Wortbeiträge entsprachen weder in Länge noch in der Wahl der sprachlichen Mittel der üblichen Norm. Musiktitel wurden abgewürgt, beliebte Interpreten mit unverschämten Kommentaren bedacht. Häufig genug langte die Comedy in den Bereich der politischen Satire, wenn Spottdrossel Oliver Kalkofe „Zehn kleine Glatzenköpp“ besang, das Somalia-Engagement der Bundeswehr bestichelt wurde oder zur Niedersachsenwahl erhellend-kabarettistische Interviews mit den einschlägigen Kandidaten zur Ausstrahlung gelangten. Manche Grenze wurde dabei überschritten, getreu Oliver Kalkofes Maxime: „Gute Radio- Comedy ... muß anders sein als der restliche Einheitsbrei und sollte mindestens tausend Hörer dazu bringen, empört die Station zu wechseln.“

Ungeachtet früherer Querelen bedauert man bei ffn das Ende der erfolgsträchtigen Sendung. Rainer Cabanis, der ab 1. April den Posten des Programmdirektors übernimmt, sieht aber in dem Wechsel auch die Chance eines Neubeginns. Auch hier gilt: „Nach fast zehn Jahren muß man mal was anderes machen. Die Comedy-Truppe bleibt ffn ja erhalten. Darüber bin ich auch sehr glücklich. Es wäre ein schlimmer Verlust, wenn sie nicht da wäre.“

Die Spaßbeauftragten werden weiterhin das laufende Programm heimsuchen; über längere Sendeformen soll demnächst verhandelt werden. Darüber hinaus ist das „Frühstyxradio“-Team mit Bühnenprogrammen, CD-Produktionen und TV-Auftritten beschäftigt. Oliver Kalkofe hat seine krasse Fernsehkritik „Kalkofes Mattscheibe“ für premiere zu einem Bildschirmformat weiterentwickelt, und dafür soeben den Special-Preis der Grimme-Jury entgegenommen. Das ZDF drehte ein Fake-Porträt über Wischmeyers Comedy-Figur „Der kleine Tierfreund“; das gesamte Team ulkte auf N 3 für „Up'n Swutsch“ und produzierte mehrere Specials. Weitere TV-Produktionen sind im Gespräch, wenngleich Dietmar Wischmeyer dem Fernsehen mit Skepsis begegnet: „An sich finde ich es kein interessantes Medium, weil man mit zu vielen Menschen zu tun hat und die Ideen zu lange brauchen, bis sie letztlich als Produkt erscheinen. Ich finde das alles sehr mühselig und frustrierend. Meine persönliche Haltung zum Fernsehen ist: soviel wie nötig, sowenig wie möglich.“

Am Abend des 31. März soll das „Frühstyxradio“ im Rahmen einer großen Party im Hannoveraner „Capitol“ zu Grabe getragen werden. Zuvor wollen die Comedians noch einmal kräftig über die Stränge schlagen: Das letzte „Frühstyxradio“ soll drei Stunden lang nur Wortbeiträge und keinen einzigen Musiktitel enthalten. „Das weiß beim Sender keiner“, verrät Dietmar Wischmeyer, „sonst würden sie Zeter und Mordio schreien. Wir müssen zwar die Musik spielen, die auf den Musiklaufplänen steht, aber gar keine Musik – diesen Fall sieht das Senderreglement nicht vor ...“ Harald Keller

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