„Ruanda ist wie Kambodscha“

■ Ruandas Ex-Premier Faustin Twagiramungu über die von ihm mit gegründete neue Bewegung: „Wir möchten keinen Krieg“

taz: Das Programm Ihrer neuen Formation fordert, Ruanda unter die Treuhandschaft einer „übernationalen Kraft“ zu stellen, um einen Rechtsstaat aufzubauen. Ist diese Forderung realistisch, wo doch zur Zeit die letzten UNO- Blauhelme Ruanda verlassen?

Faustin Twagiramungu: Ja. Weder General Kagame [ruandischer Vizepräsident und Chef der RPF] noch die RPA [die RPF-Armee], noch die derzeitige Regierung kann dem ruandischen Volk eine Lösung bieten. Die internationale Gemeinschaft muß dabei helfen, den Willen der ruandischen Mehrheit in die Tat umzusetzen. In anderen Ländern hat es ähnliche Situationen gegeben, besonders in Kambodscha, und es gibt den Fall Bosnien – warum wird Ruanda anders behandelt? Zur Zeit gibt es Kontakt zwischen der ruandischen Regierung und Vermittlern der OAU [Organisation für Afrikanische Einheit] und der UNO. Das reicht aber nicht. Die Situation im Land selbst muß sich ändern. Und sie kann sich nicht ändern, wenn es keine nationale Armee gibt. Wir verlangen, daß die heutige ruandische Armee ebenso wie die frühere kaserniert wird.

Sie rufen zum Widerstand gegen die Diktatur „mit allen Mitteln“ auf. Heißt das, daß Sie sich jetzt mit Gewaltmethoden anfreunden, die Sie ja bisher abgelehnt haben?

Mit „Mitteln“ sind demokratische Mittel gemeint. Wir möchten uns heute nicht an einem Krieg beteiligen. Es muß eine Debatte zwischen den Ruandern geben.

Sie gründen Ihre politische Bewegung im Ausland. Von Flüchtlingen abgesehen, hoffen Sie auf Anhänger innerhalb Ruandas?

Die Flüchtlinge sind ein ernstes Problem, aber unser Ziel besteht nicht nur darin, uns auf die Flüchtlinge zu konzentrieren. Die Probleme sind schwieriger innerhalb des Landes. Diese Plattform will im Namen aller Ruander sprechen. Ich denke, daß sie sich unserer Bewegung massiv und schweigend anschließen werden. Mit modernen Kommunikationsmitteln können wir Kontakte im Inneren des Landes knüpfen und die Situation dort verändern.

Wie werden Sie sich mit den Exilgruppen koordinieren? Sie haben die Führer der früheren ruandischen Armee kritisiert, die die „Sammlung für Demokratie und Rückkehr nach Ruanda“ (RDR) [in den zairischen Hutu-Flüchtlingslagern gegründete Partei; d.Red.] unterstützen.

Unser Ziel besteht nicht darin, andere Bewegungen zu kritisieren. Sie haben sich Ziele gesetzt, und die müssen sie erreichen. Wir haben vielleicht unterschiedliche Strategien. Wer gewinnt, werden wir sehen. Aber wir werden darüber keinen Streit führen. Interview: François Misser,

Brüssel