„Widerstand“ in Ruanda

■ Enttäuschte Hutu-Politiker wenden sich gegen die regierende RPF

Brüssel (taz) – Zwei prominente Politiker aus Ruanda, Ex-Premierminister Faustin Twagiramungu und Ex-Innenminister Seth Sendashonga, wollen heute in Brüssel die Gründung einer neuen politischen Bewegung bekanntgeben und zum „Widerstand gegen die Diktatur“ aufrufen. Die angeblich für Mitglieder aller ruandischen Parteien offene Plattform mit dem provisorischen Titel „Vereinigte politische Kräfte“ (FPU) wendet sich ihrem Programm zufolge gegen die Militarisierung Ruandas und die zunehmenden Menschenrechtsverletzungen unter der Herrschaft der „Ruandischen Patriotischen Front“ (RPF). Sie fordert die Rückkehr zu den Machtteilungsvorstellungen des Arusha- Friedensabkommens von 1993 und eine internationale Intervention in Ruanda, um dies zu gewährleisten.

Twagiramungu war der erste Premierminister Ruandas, nachdem das für den Völkermord an bis zu einer Million Ruandern von 1994 verantwortliche Hutu-Regime nach Zaire geflohen war und die frühere Tutsi-Guerilla RPF im Juli 1994 in Ruandas Hauptstadt Kigali einmarschierte und die Macht übernahm. Zusammen mit Sendashonga war er einer der Vertreter der Hutu-Mehrheit, die die RPF-Führung damals gemäß den Bestimmungen des Arusha-Vertrages in die neue Regierung Ruandas holte. Dieser Vertrag, den die RPF 1993 mit dem damaligen Hutu-Regime schloß, sah die Bildung einer Allparteienregierung in Ruanda vor. Die Ermordung von bis zu einer Million Menschen im Frühjahr 1994 – darunter fast alle Tutsi in Ruanda – durch radikale Hutu-Milizen hatte zum Ziel, seine Umsetzung zu verhindern. Gemäßigte Hutu-Politiker wie Twagiramungu, die selbst unter dem Habyarimana-Regime gelitten hatten, setzten daher nach dem Völkermord ihre Hoffnungen in die RPF.

Im August 1995, etwas über ein Jahr nach der Amtsübernahme, wurde Twagiramungu wie auch Sendashonga und drei andere Hutu-Minister aus der RPF-geführten Regierung entlassen. Sie gingen ins Exil und kritisieren seither eine zunehmende Ethnisierung des RPF- Regimes, so Sendashonga zur taz, das einen „zweiten Völkermord“ begehe, dem Hunderttausende von Menschen – Hutu wie auch Tutsi – zum Opfer gefallen seien. „In einem Amtsjahr als Innenminister habe ich General Kagame 700 Briefe geschrieben, in denen von der Tötung von Zivilisten und anderen Übergriffen die Rede war“, sagt Sendashonga. Er entging am 26. Februar in Kenias Hauptstadt Nairobi knapp einem Attentat, das er der RPF zuschreibt: „Schon zwei Wochen vorher hieß es in Kigali, der militärische Geheimdienst habe den Befehl erhalten, mich zu eliminieren.“

Sendashonga und Twagiramungu fordern nun, RPF-Führer Paul Kagame vor das UN-Völkermordtribunal zu stellen. Mit diesem Wunsch wie auch dem nach einer internationalen Treuhandschaft für Ruanda teilen sie allerdings Forderungen von für den Völkermord verantwortlichen Hutu-Extremisten. François Misser