: Indianerrechte, sonst kein Geld
■ Brasiliens Justizminister tourt durch Europa, um die Kritik an der Indianerpolitik der Regierung Cardoso auszuräumen
Rio de Janeiro (taz) – Der Schutz von Brasiliens rund 300.000 Ureinwohnern gegen Holzfäller und Goldsucher überfordert die brasilianische Regierung. „Die Regierung verfügt nicht über die physische Gewalt, um Invasionen in Indianerreservate aufzuhalten“, erklärte Präsident Fernando Henrique Cardoso kürzlich in Rio.
Um die internationale Kritik an Brasiliens fragwürdiger Indianerpolitik zu zerstreuen, reist Brasiliens Justizminister Nelson Jobim in dieser Woche nach Europa. Der Canossagang zu den Staaten der G 7, die im Rahmen des Pilotprogramms für den Amazonas die Schaffung von Indianerreservaten unterstützen, soll sicherstellen, daß die Finanzen auch weiterhin fließen. Die Bundesregierung etwa, die mit 40 Millionen Mark den größten Beitrag leistet, ist von brasilianischen Indianervertretern aufgefordert worden, die Zahlungen vorläufig einzustellen.
Die brasilianische Regierung hatte Anfang des Jahres durch ein juristisches Manöver ihre Geldgeber verunsichert. Seit dem 8. Januar kann jede Gemeinde, jedes Bundesland oder jeder Grundstückseigentümer, der sich durch die Anlage eines Indianerreservates geschädigt fühlt, vor Gericht Einspruch erheben. Nach den neuen Richtlinien müßten theoretisch 307 der insgesamt 554 Indianerreservate erneut auf ihre Gültigkeit überprüft werden.
Den Sturm der Entrüstung, den die Revision des sogenannten Dekretes 1.775 bei Umweltschützern und Kirchenvertretern hervorrief, ist nach Ansicht von Präsident Cardoso unberechtigt. „Wir sind ein Rechtsstaat“, erklärte Cardoso. „Der Präsident kann hier nicht einfach per Unterschrift Tausende von Grundstücken enteignen.“ Das Recht auf Verteidigung müsse gewährleistet sein. Stärkstes Argument des Präsidenten ist, daß bisher lediglich drei Revisionsanträge im brasilianischen Justizministerium eingegangen sind. Am 8. April läuft die Einspruchsfrist von drei Monaten ab.
Auch in Deutschland wird Brasiliens Justizminister Mißtrauen ausräumen müssen. Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz (ARA) aus Bielefeld „drohen deutsche Steuergelder zur Vernichtung der Lebensgrundlage der letzten indianischen Völker Brasiliens mißbraucht zu werden“.
Das Europäische Parlament verabschiedete am 15. Februar eine Resolution, worin der brasilianischen Regierung vorgeworfen wird, Indianerrechte auszuhöhlen. Astrid Prange
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