Lambsdorff gegen „China-Show“

■ FDP-Wirtschaftssprecher kritisiert deutsche Asienpolitik. Unternehmervertreter beklagen: Japan wird vernachlässigt

Tokio (taz) – Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Otto Graf Lambsdorff, hat der Bundesregierung vor dem Hintergrund der Taiwankrise eine verfehlte Asienstrategie vorgeworfen. In Tokio sagte der frühere Wirtschaftsminister am Montag, daß man heute die zwei Pekingbesuche von Bundeskanzler Helmut Kohl in den Jahren 1993 und 1995 „mehr als China-Show denn als Asienstrategie bewerten muß“.

In seiner gewohnt deutlichen Art warf Lambsdorff der Bonner Regierung eine Bevorzugung Chinas vor: „Ich habe die einseitige Bevorzugung des Investitionsstandorts China niemals für richtig gehalten. Es war immer damit zu rechnen, daß es in China unvorhersehbare politische Entwicklungen wie jetzt in den Auseinandersetzungen mit Taiwan gibt, die ihren Einfluß auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit haben. Kalkulierbar ist das nicht.“

Lambsdorffs Kritik trifft die Bundesregierung zu einem Zeitpunkt, zu dem sie sich noch zu keiner eindeutigen Stellungnahme im seit Wochen andauernden Konflikt zwischen Taiwan und China durchgerungen hat. Offenbar sorgt man sich, eine zu deutliche Kritik an Peking könnte Milliardenaufträge für die deutsche Industrie gefährden, die bisher nur lose vereinbart sind. Die chinesische Regierung hat nie verhehlt, daß sie die Vergabe von Aufträgen ins Ausland an allgemein gute politische Beziehungen knüpft.

Dabei hoffen Kritiker der deutschen Asienpolitik, daß die Taiwankrise zu einer Kurskorrektur führt. Vor allem in Japan behaupten deutsche Unternehmer und Diplomaten, daß die deutsche „Vorliebe für China“ (Lambsdorff) zu einer gefährlichen Unterschätzung der japanischen Wirtschaft geführt habe.

Deutscher Blackout beim Japan-Dialog-Forum

„In den letzten zwei bis drei Jahren haben wir zu sehr nach China und Südostasien geschaut und Japan vernachlässigt. Das war falsch“, sagte kürzlich der Asienreferent des Deutschen Industrie- und Handelstag in Köln, Detlef Böhle, der Zeitung Asahi Shimbun. Und Dirk Vaubel, Tokioter Büroleiter der Unternehmensberatung Roland Berger, sieht die Wende schon kommen: „Das Chinafieber der westlichen Unternehmen klingt langsam ab. Man kümmert sich wieder mehr um Japan.“

Daß dieser westliche Trend die deutsche Unternehmen bislang nicht erreicht hat, ließ sich am Montag in Tokio leicht feststellen. Zum Auftakt des von Bundeskanzler Kohl und Expremier Miyazawa eingerichteten „Deutsch- Japanischen Dialog-Forums“ glänzte die Prominenz der deutschen Großunternehmen durch Abwesenheit. Die Vorstandsmitglieder Horst Teltschick (BMW), Robert Büchelhofer (VW), Hans- Günter Danielmeyer (Siemens) und Ulrich Cartellieri (Deutsche Bank) sowie Bosch-Geschäftsführer Hermann Eisele hatten auf eine Teilnahme verzichtet. Beim Japan-Blackout der deutschen Wirtschaft soll es aber nicht bleiben: Um eine „Japan-Initiative der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft“ zu starten, soll Kanzler Kohl nach Tokio reisen, voraussichtlich im Herbst.

In Tokioter diplomatischen Kreisen geht man davon aus, daß Bundesregierung wie Wirtschaftsverbände mittlerweile eingesehen haben, wie sehr die bisherigen deutschen Asienstrategien an Japan vorbeigelaufen sind. Gesunkene Grundstückspreise, niedrige Zinsen und gute Konjunkturaussichten machen zudem den Einstieg für deutsche Unternehmen in Japan einfacher denn je. Während für sie in China alles teurer und teurer wird. Georg Blume